Revival

■ Steht ein neuer „deutscher Herbst“ bevor?

Die Spirale von Attentaten auf der einen und verschärfter Repression als Antwort des Staates auf der anderen Seite, der dann wiederum Attentate folgen, dreht sich wieder. Es sieht fast so aus, als stünde die Republik vor einem regelrechten Revival der Jahre, die in den „Deutschen Herbst“ 1977 mündeten. Sind wir nicht schon mittendrin? 1986 versucht die konservative Regierung mit der Einführung des Kronzeugen, genauso wie vor zehn Jahren ihre sozialliberalen Vorgänger mit der damaligen Einfügung des werfen sich Regierung und Opposition gegenseitig vor, im Kampf gegen den Terrorismus zu versagen und jeweils die besseren Terroristenjäger zu sein. Glotz fordert von Kohl Zimmermanns Entlassung, weil der es nach dem Braunmühl–Mord „versäumt habe, einen Krisenstab einzurichten“. Geißler kritisiert die SPD, weil sie die Einführung des Kronzeugen ablehnt. Wahlkampf 1986 wie Wahlkampf 1976 - die Gesetzespakete geraten heute wie damals im Grunde zu Wahlkampfgesetzen. Sie waren damals Vorboten für eine ganze Serie von Attentaten (Buback, Ponto, Schleyer) und sie werden heute genauso wenig wie damals irgendein Attentat verhindern helfen. Eher bewirken sie das Gegenteil. Unter der Hand passiert etwas viel bedrohlicheres: politischer Mord gehört inzwischen schon fast zum gesellschaftlichen Alltag. Eine politische Auseinandersetzung damit und mit denjenigen, die meinen, mit Genickschüssen für eine menschlichere Gesellschaft zu kämpfen, müßte doch heute möglich sein, um diesen Spuk zu beenden. Da wäre das Thema einer öffentlichen Debatte, auch im Bundestag. Doch auch die Linke kritisiert nur die Gesetze und meint, damit ihre Schuldigkeit getan zu haben. Max Thomas Mehr