: Ost–West– Dialog von unten führen
■ Heute wird in Wien ein Memorandum von „unabhängigen Bürgern“ aus Ost und West an die KSZE Konferenz überreicht / Linke Politiker und Wissenschaftler aus Ost und West fanden Kompromiß
Berlin (taz) - „Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg“ heißt es in dem Papier, das das Helsinki Abkommen mit wirklichem Leben füllen soll. Erinnern wir uns: Vor elf Jahren wurde in Helsinki die Schlußakte der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) unterzeichnet, die den Entspannungsprozeß zwischen den Staaten Europas fördern sollte. Das Resultat sei aber eher kärglich, behaupten die Initiatoren des Papiers. „Viele der Absichtserklärungen, die die Regierungen in Helsinki abgegeben haben, sind tote Buchstabe geblieben. Die Militarisierung der Gesellschaften dauert an. Die Kommunikation zwischen Ost und West wird nach wie vor durch viele Barrieren behindert. Beide Seiten produzieren weiterhin Feindbilder, die eine Bedrohung des Friedens darstellten. In vielen KSZE–Staaten sind die bürgerlichen Grundrechte faktisch nicht existent.“ Bei denjenigen, die diesen Zustand beklagen, handelt es sich um Personen und Gruppen aus sechzehn Staaten Europas. In Belgien reicht das Spektrum vom Friedensaktivisten Bruno Coppieters bis zu Ernest Mandel, in Dänemark haben Wissenschaftler und vor allem Gewerkschafter unterzeichnet, Aus der DDR melden sich eine Reihe von Leuten aus der Friedens– und Ökologiebewegung, darunter auch Pfarrer Eppelmann, aus Frankreich unterzeichnete der Psychoanalytiker Felix Guattari und der Exil–Pole Seeryn Blumstajn, aus Italien Sozialisten, Kommunisten und Grüne. Die kritische Intelligenz meldete sich aus Jugoslawien, und viele bekannte Oppositionelle aus Polen, Einzelpersönlichkeiten aus Schweden, Friedensbewegte aus Spanien , die Charta–Leute aus der CSSR, György Dalos, György Konrad und der ehemalige Stalinist Andras Hegedüs stehen als Unterzeichner aus Ungarn auf der Liste. Aus der Sowjetunion hat die „Gruppe zur Bildung von Vertrauen zwischen den USA und der UdSSR“ das Memorandum unterzeichnet, aus der Bundesrepublik Grüne wie Petra Kelly und Uli Fischer sowie die Sozialdemokratien Peter von Oertzen und Heidemarie Wieczorrek–Zeul. Für Dieter Esche, einen der Initiatoren der Initiative in der Bundesrepublik und Sekretär des „Europäischen Netzwerkes Ost–West - Dialog“ ist dieses Memorandum nach jahrelanger Vorbereitung die Fortentwicklung eines Dialogs zwischen den Oppositionsgruppen in Osteuropa und der westlichen Friedensbewegung. Die in der westlichen Friedensbewegung verbreitete Vorstellung, der Frieden sei ohne die Berücksichtigung der Menschenrechte in den Ländern des „realen Sozialismus“ zu sichern, sei nun vom Tisch. Die westliche Seite konnte durch die Aufnahme ökologischer Themen und vor allem der Ablehnung der Atomtechnologien politische Inhalte durchsetzen, die bei den östlichen Oppositionellen umstritten sind. Initiativen von unten seien auf den verschiedensten Gebieten vorstellbar. So könnten z.B. Städtepartnerschaften und der kulturelle Austausch gefördert werden. Auch die Initiatoren glauben nicht daran, daß die Übergabe des Memorandums eine Veränderung der Politik der KSZE Staaten nach sich ziehen wird. „Wir sind nicht so naiv zu glauben, daß unsere Initiative von offizieller Seite aufgegriffen wird. Doch wir wollen die Öffentlichkeit erreichen und unsere Diskussion in die Debatte um eine künftige Friedenspolitik werfen. Vielleicht wird der eine oder andere in den Parteien und gesellschaftlichen Organisationen angeregt, einige unserer Gedanken aufzugreifen. Was wir wollen, ist die öffentliche Debatte“, erklärte Dieter Esche in Wien. er
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