Sinn Fein–Parteitag endet mit Spaltung

■ Delegierte uneinig über die Frage der Vertretung im irischen Parlament / Gründung einer neuen Partei mit dem Namen „Republican Sinn Fein“ / Für die Befürworter der Absentionismus–Politik ist es ein Verrat, die Sitze im irischen Parlament einzunehmen

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Der als „historisches Ereignis“ angekündigte dreitägige Parteitag von Sinn Fein, „Wir selbst“, mit dem das Prinzip des Absentionismus aufgegeben werden sollte, wurde seinem Ruf gerecht, allerdings anders als erwartet. Er endete mit der Spaltung der Partei, weil die alte Garde um Expräsidenten O–Bradaigh, den Parteitags–Beschluß nicht akzeptierte, in Zukunft die Sitze im Leinsterhouse, dem süd–irischen Parlament einzunehmen. Bereits vor Beginn des mit Spannung erwarteten letzten Tages bildeten sich lange Schlangen vor dem „Mansionhouse“ in Dublin, einem Gebäude, in dem das erste irische Parlament 1918 tagte. Damals hatten sich die gewählten irischen Abgeordneten geweigert, in das Westminster Parlament zu gehen. Am Sonntag stand dieses Thema wieder auf der Tagesordnung. Die Debatte war in den letzten Wochen unterbrochen worden, nachdem die IRA (Irisch Republikanische Armee), auf ihrem ersten Armee–Konvent seit 16 Jahren mit großer Mehrheit beschlossen hatte, den Antrag des Parteivorstandes auf Sitzeinnahme im irischen Parlament zu unterstützen. Dagegen soll das Prinzip des Absentionismus für Westminister beibehalten werden. 628 Delegierte und Hunderte von Besuchern und Pressevertretern aus dem In– und Ausland drängelten sich nach gründlicher Leibesvisitation und umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen im völlig überfüllten Mansionhouse. Die Debatte wurde sehr emotional geführt. Immer wieder erinnerten Redner und Rednerinnen an die Geschichte und die Märtyrer, die für ein vereinigtes Irland gefallen seien. Die Befürworter der Absentionismus–Politik bezeichneten es als Verrat, Sitze im irischen Parlament einzunehmen, da sie damit faktisch die Teilung Irlands anerkennen und fundamentale Prinzipien aufgeben würden. Der Parteivorstand mußte sich zum Teil harte Kritik anhören. Längst nicht alle Redner und Rednerinnen waren zu Wort gekommen, als die Debatte nach fünf Stunden abgebrochen wurde und die Delegierten schließlich abstimmten. Die Spannung war kaum noch zu steigern. Bevor Parteivorstandsmitglied Seam Mac Manus das Ergebnis bekanntgab, beschwor Sinn Fein–Präsident Gerry Adams noch einmal alle Delegierten und vor allem die Absentionismus–Anhänger um Expräsidenten O–Bradaigh, bei einer Abstimmungsniederlage nicht die Partei zu verlassen, oder zumindest bis zum Ende des Parteitages im Saal zu bleiben, um der Presse keine Schlagzeilen zu liefern. Es half alles nichts mehr. Nachdem das äußerst knappe Abstimmungsergebnis verkündet worden war - die Resolution des Parteivorstandes zur Aufgabe des Absentionismus in der Republik Irland hatte nur eine Handvoll mehr als die benötigte Zwei–Drittel– Mehrheit erreicht - sprangen O– Bradaigh und zirka Hundert weitere Delegierte auf und verließen den Saal. Vor dem Mansionhouse wurden sie von ihren Anhängern mit Ovationen begrüßt. Während Gerry Adams noch betonte, daß die Tür für O–Bradaigh und seine Leute weiterhin offenstünde, befanden sich diese bereits auf dem Weg ins Dubliner Westland–Hotel zu einer schon vor dem Parteitag organisierten Pressekonferenz. Auf dieser Konferenz verkündeten O–Bradaigh und OConnell, ein früherer IRA– Stabchef, die Gründung einer neuen Partei, „Republican Sinn Fein“. Die neue Partei denke zunächst nicht an den Aufbau einer eigenen Armee, sagte OBradaigh. Es bleibt abzuwarten, ob sich IRA– Mitglieder ihr anschließen, die mit der Entscheidung des Armee– Konvents nicht einverstanden sind. Dann wäre zu befürchten, daß es wie Anfang der siebziger Jahre zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen ehemaligen Waffenbrüdern kommt. Aus den USA kamen bereits Signale von Teilen des Noraids (der Solidaritätsorganisation für Sinn Fein/ IRA), daß in Zukunft die Abspaltung finanziell unterstützt werden soll. Auch bei Noraids gibt es jedoch Fraktionen, die bereits vor dem Parteitag ihre Unterstützung für den Antrag des Parteivorstands bekräftigten. Neben der Debatte um den Absentionismus wurden auf dem Parteitag wichtige Beschlüsse verabschiedet. In Bezug auf Abtreibung hatte der Parteitag erst im letzten Jahr nach harten Diskussionen beschlossen, daß den Frauen in dieser Frage die Entscheidungsfreiheit überlassen bleiben solle. Dieser Satz wurde am Wochenende auf Antrag des Vorstands von Sinn Fein wieder aus dem Parteiprogramm gestrichen. Abtreibung wird nur noch bei medizinischer Indikation befürwortet. Weiterhin bekräftigte der Parteitag die Forderung nach irischer Neutralität und Ablehnung der NATO. Außerdem wurde eine verstärkte Arbeit zu sozialökonomischen Themen beschlossen. Die Delegierten verabschiedeten Resolutionen zur Solidarität mit den nationalen Befreiungsbewegungen und distanzierten sich übereinstimmend von RAF, Roten Brigaden und Action Directe. Die Rede des Vertreters der baskischen Herri Batasuna wurde mit riesigem Applaus begrüßt.