: „Operation Vernichtung“ in Osttimor
■ Indonesien startet „Operation Vernichtung“ auf der annektierten Insel / Die geplanten Wahlen im Frühjahr 87 sollen möglichst „störungsfrei“ ablaufen.
Von Klemens Ludwig
„Der Feind hat seine Militärpräsens auf 50 Bataillone (Anm. 40.000 Soldaten) erhöht. Zwölf von ihnen befinden sich auf der Jagd nach dem Oberbefehlshaber Jose Gusmao Xanana im Ostteil. Sie erhalten Unterstützung von Kampfflugzeugen“. So lautet der Kernsatz eines Dokuments der osttimoresischen Unabhängigkeitsbewegung Fretilin, das Anfang November aus der von Indonesien besetzten Insel nach Portugal gelangt ist und jetzt die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ in Göttingen erreicht hat. Das Kommunique enthält detaillierte Informationen über eine neue indonesische Offensive unter dem Kodenamen „Operasi Kikis“ (Operation Vernichtung), mit der die indonesische Armee offenbar versucht, einen entscheidenden Schlag gegen die Fretilin zu führen. Dabei bilden die schwer zugänglichen Bergregionen in der Umgebung der Hauptstadt Dili sowie der Ostteil Osttimors, wo die indonesische Armeeführung das Hauptquartier der Fretilin vermutet, die Schwerpunkte der Truppenkonzentrationen. Dem Dokument zufolge ist die Besatzungsarmee mit schwerer Artillerie sowie Panzerwagen ausgerüstet und führt außerdem unter den Einheimischen Zwangsrekrutierungen durch, um ihre Reihen zu verstärken. In den von Indonesien kontrollierten größeren Ortschaften sind über 100 Osttimoresen, verhaftet worden. Sogar in Djakarta wurden im September vier timoresischen Studenten festgenommen, denen die Behörden „Kontakte mit der Fretilin“ vorwerfen. Am 13. Oktober wurden sie wieder entlassen, was nicht zuletzt auf eine weltweite Kampagne von Amnesty International zurückzuführen war, die auch in diplomatischen Kreisen besondere Aufmerksamkeit hervorgerufen hat. Hintergrund der großangelegten militärischen Offensive sind die indonesischen Parlamentswahlen im April 1987, bei denen sich Indonesien einen Durchbruch in den Bemühungen um die internationale Anerkennung der Annektion Osttimors verspricht. Bis heute betrachten weder die UNO, noch die EG, noch die Blockfreie Bewegung noch irgendeine andere international relevante Organisation Osttimor als Teil Indonesiens, da die Annektion vor zehn Jahren gewaltsam erfolgte und die ehemalige portugiesische Kolonialmacht ihren völkerrechtlichen Anspruch bis heute nicht aufgegeben hat. Um vor allem den westlichenn Staaten eine offizielle Anerkennung der Annexion zu erleichtern, plant Indonesien die Zulassung von UN–Vertreter als Wahlbeobachter. Damit will die Regierung auf ihre Art die UN–Resolution 1541–XV erfüllen, die für die Angliederung eines Nicht–Selbstverwalteten Territoriums an einen anderen Staat den freien Willen der Bevölkerung auf der Basis allgemeiner Wahlen voraussetzt. Der Urnengang 1987 soll dafür als expost–Grundlage dienen. Ähnlich haben die Militärs in Djakarta 1969 die internationale Anerkennung für die Annektion Westpapuas (Irian Jayas) erreicht. In Osttimor wird diese Manipulation nur gelingen, wenn die Fretilin bis zum April entscheidend geschwächt ist und das Wahlmannöver nicht nachhaltig stören kann.
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