: Ciba–Geigy stinkt und lügt
■ Baden–württembergisches Umweltministerium: Schweizer Chemiekonzern hat mindestens sechs Tonnen Atrazin in den Rhein geleitet / Öko–Institut: Einleitung des Herbizids war kein Unfall, sondern Normalzustand
Von Manfred Kriener
Berlin (taz) - Der Schweizer Chemiekonzern Ciba–Geigy hat nicht „nur“ 400 Kilogramm, sondern mindestens sechs Tonnen des hochgiftigen Herbizids Atrazin in den Rhein geleitet. Das Baden– Württembergische Umweltministerium hat dies gestern der Öffentlichkeit haarklein vorgerechnet. In der Woche nach der Brandkatastrophe bei Sandoz hat die chemische Landesuntersuchungsanstalt Offenburg kontinuierlich hohe Atrazin–Anteile im Rheinwasser analysiert. Die Proben wurden bei Breisach gezogen und ergaben z.B. für den 5. November eine Belastung mit Atrazin von - hochgerechnet - 276,4 Kilogramm. Auch an den darauffolgenden Tagen wurden jeweils mehr als 200 Kilogramm Atrazin gemessen. „Wenn wir die Zahlen von Ciba–Geigy zugrundelegen, dürften wir aber nur auf täglich maximal 15,6 Kilogramm kommen“, sagte Lothar Gugel, der Sprecher des baden–württembergischen Umweltminsters Weiser. Weiser hat inzwischen in einem Telegramm die Schweizer Behörden unterrichtet und sofortige Aufklärung darüber verlangt, wie die „extrem unterschiedlichen“ Zahlen zu erklären seien. Eine Antwort liegt noch nicht vor, die Basler Behörden kündigten aber eine „sofortige Überprüfung“ an. Der Atrazin–Skandal war rein zufällig als Folge der Brandkatastrophe bei Sandoz aufgedeckt worden, als Basler Kantonschemiker diesen Stoff, der unmöglich von Sandoz stammen konnte, bei ihren Untersuchungen entdeckt hatten. Ciba–Geigy hat daraufhin die „bedauerliche“ Einleitung zugegeben und von 400 Kilogramm Atrazin gesprochen, die nach einer Havarie über mehrere Tage in „stark verdünnter Form“ in den Rhein geflossen seien. Das Darmstädter Öko–Institut hat gestern nochmals seine Vorwürfe erneuert, daß Ciba–Geigy (s. taz v. 13.11.) ständig Atrazin in den Rhein einleite, was durch Langzeitmessungen eindeutig nachgewiesen worden sei. Das baden–württembergische Umweltministerium habe noch immer nicht verstanden, daß es sich bei den Atrazin–Funden nicht um einen einmaligen Unfall, sondern um den Normalzustand handele. Der Darmstädter Diplomchemiker Peter Seel: „Die können noch bis nächstes Jahr messen und werden ständig Atrazin feststellen.“ Seel griff auch Bundesumweltminister Wallmann an, der die Atrazin–Einleitung von Ciba–Geigy als „nicht verantwortbar“ bezeichnet hat. aber schweige, wenn es um die Herbizid–Einleitungen der Ludwigshafener BASF gehe. Das deutsche Chemiewerk leite Metazachlor, das genauso gefährlich wie Atrazin sei, mit Billigung der Behörden in den Rhein, weil dieser schwer abbaubare Stoff von der Kläranlage des Werks nicht zurückgehalten werden könne. Laut Angaben des Öko–Insituts wurden am Mittwoch Metazachlor–Konzentrationen gemessen, die dreimal so hoch waren, wie die Atrazin–Konzentrationen von Ciba–Geigy.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen