: I N T E R V I E W Wir sind an guten Beziehungen interessiert
■ Der syrische Botschafter in Ost–Berlin bestreitet jegliche Unterstützung der Bombenleger
taz: Ahmad Hasi hat gesagt, er habe den Sprengstoff für den Anschlag auf die Deutsch– Arabische Gesellschaft aus der syrischen Botschaft in Ostberlin bezogen. Dr. Fayssal Sammak: Das wird von uns allgemein und im Detail bestritten. Es spricht aber einiges in Hasis Aussage dafür. Wir haben keinerlei Beziehung - weder zu Ahmad Hasi noch zu Paruk Salameh, nicht persönlich und nicht offiziell. Wie könnten wir Sprengstoff übergeben an Menschen, die wir nicht kennen? Hätten Sie Sprengstoff an jemanden übergeben, den Sie kennen? Wir sind in Syrien prinzipiell gegen den Terror. Wir selbst litten in Syrien stark unter dem Terror. Vielleicht hat unser Volk in einer Woche unter dem Terror mehr gelitten als die Menschen in Europa in einem Jahr. Deshalb haben wir ein echtes Interesse an der Bekämpfung des Terrorismus. Wir glauben fest daran, daß die Bekämpfung des Terrorismus etwas ist, woran die gesamte Menschheit ein Interesse hat. Es steht keinem Staat in der Welt zu, andere Staaten des Terrorismus zu bezichtigen und mit seinem eigenen Maß zu messen. Dies wäre unannehmbar und gefährlich. Von wem reden Sie? Ein vielsagendes Beispiel ist das Verhalten der USA im Nahen Osten. Sie bestimmen das Verhalten Israels in den besetzten Gebieten. Und das berechtigt jede Form des Widerstands? Wir bestehen darauf, sehr klar zwischen Terror und nationalem Widerstand zu unterscheiden. Es ist die Pflicht eines jeden Volkes, das seines Territoriums und seiner Rechte beraubt ist. Fragen wir nun nach den Nutznießer dieser Aktion in Berlin–West, würden wir Syrien nicht darunter finden. Im Gegenteil, Syrien ist Geschädigter. Wir sind sehr interessiert daran, unsere Beziehungen zu den europäischen Staaten aufrechtzuerhalten. Diese Frage führt uns zum Mossad und mit ihm verbundene Dienste, amerikanische und andere. Die angeblich meisterhaften britischen Geheimdienste vermochten nicht, diese Tasche, wo die Bombe versteckt war, bei der Durchsuchung im Flughafen aufzudecken, so daß nur der israelische Geheimdienst in der Lage war, diese Tasche unter anderen zu finden. Setzen wir eine Geheimdienstaffaire voraus. Was sind die konkreten Ziele der Briten gegenüber Syrien? In der Tat wurde diesmal England als Speerspitze gebraucht. Englands Interessen waren im Einklang mit den zionistischen und den US–amerikanischen. In einer einfachen Analyse sehen wir, daß man hier die Gunst der Amerikaner und Israelis erheischt. Es ist bekannt, daß die konservative Partei eine Reihe von Skandalen erlebt, sei es moralischer oder ökonomischer Natur. Bei den letzen Wahlen war es der Falkland–Krieg, der das schnellste Pferd im Stall der Regierung darstellte. Diesmal reitet sie auf dem Pferd „Terrorismusbekämpfung“. Wohin wollen diese Mächte Syrien drängen? Sie wollen gegen Syrien Druck ausüben, so daß Syrien die zweite Phase des Camp David– Plans darstellen kann. Diese Mächte können die Araber nur akzeptieren, wenn diese sich wie Sadat verhalten. Wenn wir aber Widerstand leisten gegen diese Pläne, ist das für sie nicht annehmbar. Es gibt Positionen, die sagen, Syrien sei militärisch nicht stark genug, Israel Paroli zu bieten, und müsse daher auf Terrorismus zurückgreifen. Auf alle Fälle streben wir das militärische Gleichgewicht an. Wir glauben, daß wir stark genug sind, um uns selbst zu verteidigen. Wir sind davon überzeugt, daß wir unserer Sache keinen guten Dienst tun würden, wenn wir auf den Straßen Europas oder seinen Flughäfen Terroranschläge machen würden. Der Kampf um unsere Befreiung findet auf dem besetzten Territorium statt. Leitet sich aus diesem Widerstandsrecht gegen die Besetzung arabischen Landes für die syrische Regierung das Recht ab, auch andere als syrische Gruppen in der gleichen Sache zu unterstützen? Wir unterstützen jeden Araber, der für seine Rechte in den besetzten Gebieten kämpft. Nicht außerhalb dieser Region. Die Situation z.B. im Libanon ist bekanntlich äußerst komplex. Ist Syrien in der Lage, die Unterstützung, die es etwa der palästinensischen Sache gewährt, politisch so weit zu kontrollieren, daß Gruppen, die es unterstützt, in Europa keine Anschläge verüben? Zunächst einmal sind wir im Libanon keine Besatzungsmacht. Wir ersetzen nicht die legale Staatsmacht. Wir sind dort auch keine internationale Polizei, um Israels Schutz zu gewährleisten. Wir sind im Libanon, um dem arabischen Volk des Libanon bei der Überwindung seiner Krise zu helfen. Erwarten Sie vom Ausgang des Hasi–Prozesses in West–Berlin, wenn das Gericht zu ähnlichen Ergebnissen kommen sollte wie das Gericht in London, eine Verschlechterung der deutsch–syrischen Beziehungen? Auf jeden Fall wünschen wir nicht, daß die deutsche Regierung sich in die gleiche Lage bringt wie die britische. Wir sind davon überzeugt, daß man genauer vorgeht, bevor man Anschuldigungen an uns richtet. Wir lehnen es ab, uns auf die Anklagebank zu setzen. Wie reagiert Syrien auf die Maßnahmen der EG–LÄnder, die in der vorigen Woche beschlossen wurden? Wir schätzen diese Beschlüsse objektiv ein. Diese Maßnahmen wurden als Akt der Höflichkeit der EG–Staaten gegenüber England beschlossen, um Thatcher das Gesicht zu wahren. Nicht aus Überzeugung. Das verstehen wir. Aber wir sagen auch ganz offen, wer uns Feindseligkeit entgegen bringt, wird von uns keine Liebe erwarten können. Eine arabische Redeweise heißt: Die Liebe kann keine Einbahnstraße sein. Bestätigen Sie Meldungen, daß sich Abu Nidal in Syrien aufhält? Das weiß ich nicht. Wäre es möglich, daß Syrien, analog der Hilfe bei der Befreiung französischer Geiseln, Druck ausübt, um terroristische Gruppen zu stoppen? Syrien kann doch nicht für alles verantwortlich sein. Konnte Syrien Einfluß nehmen auf die Mörder von Palme oder Gandhi? Ein solcher Standpunkt ist lächerlich. Wenn Sie wüßten, wieviel Mühe es uns kostet, überhaupt festzustellen, wer die Entführer sind, geschweige die Entführten zu befreien, könnten Sie die syrische Situation besser verstehen. Könnten Sie Einfluß nehmen auf Abu Nidal? Er ist kein Angestellter von uns. Er ist einer der Führer der palästinensischen Revolution. Nur wenige kennen ihn in Syrien persönlich. Wie gesagt, wir sind keine internationale Polizei.
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