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Die Insider zittern

■ Der Boesky–Skandal: An der Wall Street spekuliert der Staatsanwalt mit / Einige Börsenhändler wußten zu viel, doch welche Namen sind auf Boeskys Tonbändern? / Der Welt größter Risikospekulant zahlte saftige Strafe / Tips kamen von Investmentbankier Levine

Seit dem vergangenen Wochenende gehen die Börsenspekulanten in New Yorks Wall Street wie auf Eiern. Einer von ihnen, Ivan Boesky, hat sich erwischen lassen - genauer gesagt, er wurde verpfiffen. Illegale Spekulationen werden ihm vorgeworfen, sogenannte „Insidergeschäfte“, weit verbreitet, aber schwer nachzuweisen. Es handelt sich dabei um einen Tatbestand, der in der Unter welt schon mal mit dem Tode bestraft wird: Der Betreffende weiß zu viel. Im Mai ertappt, macht Boesky angesichts der zu erwartenden harten Strafe seither gemeinsame Sache mit den Staatsanwälten. Er willigte ein, die Gespräche in seinem Büro und an seinem Telefon auf Band aufzeichnen zu lassen. Die Ermittler wollten das Insider–Netz anpacken. Seit nun am vorletzten Freitag Boeskys Doppelspiel öffentlich wurde, und er die verhängte Strafe von 100 Millionen Dollar über den Tisch schob, ist eine Frage in Wall Street bedeutsamer als der Dow Jones Index: Was ist alles auf den Bändern Boeskys zu hören, welche Namen werden genannt? Ivan Boesky, der oft 22 Stunden am Tag in seinem Büro zubringt, konnte sich bis zu diesem Tag als der größte Risikospekulant (“Arbitrageur“) der Welt bezeichnen. Der 49jährige Geschäftsmann profitierte von der derzeit grassierenden Welle von Konzernübernahmen oder -zusammenschlüssen, die in den USA seit Beginn der achtziger Jahre läuft. Er erwarb Aktien von solchen Unternehmen, die auf dem Einkaufszettel anderer Konzerne oder fremder Investoren standen. Solche Übernahmeaktionen bedeuten plötzlich ansteigende Nachfrage nach den betreffenden Aktien, mithin steigende Kurswerte. War die Übernahme abgeschlossen und die Aktien in die Höhe getrieben, konnte Boesky die seinigen mit erheblichem Gewinn wieder abstoßen, und weitere Millionen zu seinem Vermögen addieren. Die Boesky–Connection Eigentlich ein normaler Vorgang, der Mann hat eben eine gute Nase, könnte man meinen. Verwunderlich war allerdings, daß Boesky seine Aktien in der Regel bereits kaufte, bevor ein Übernahmeversuch überhaupt bekannt wurde. Darauf angesprochen, berief er sich stets auf die harte Arbeit und seine guten Kontakte. Seine Kontakte, so die Staatsanwälte, waren allerdings zu gut, insbesondere zum New Yorker Investmentbanker Dennis Levine. Levine war Direktor der Investmentmakler–Firma Drexel, Burnham, Lambert Inc., die die Finanzierung zahlreicher Firmenübernahmen abwickelte. Mehrere dieser Transaktionen meldete Levine seinem Freund Boesky, bevor sie offiziell an der Börse bekanntgegeben wurden - eine wahrhaft verlockende Kooperation, nach US–amerikanischem Recht jedoch ein eklatanter Gesetzesbruch: Einem Investmentbanker ist es untersagt, seine Insiderkenntnisse über eine bestimmte Firma und deren finanzielle Situation an der Börse auszunutzen. Abkassieren wollen schließlich alle Börsenspekulanten. Boesky machte allein 1985 neun Millionen Dollar Profit - nur aufgrund der Hinweise des Investmentbankiers. Dabei gilt es als sicher, daß Levine seine Informationen, die er sich zuvor in den Akquisitionsabteilungen der Brokerhäuser und Anwaltskanzleien zusammenklaubte, nicht nur an Boesky gegen Provision verkaufte. Levine ging der Überwachungsbehörde Securities and Exchange Comission (SEC) bereits im Mai in die Fänge. Er bekannte sich schuldig und packte über seine Zusammenarbeit mit Boesky aus, der sich - um seine Haut halbwegs zu retten - seinerseits unverzüglich den Ermittlern als Köder für verfängliche Gesprächsaufzeichnungen andiente. Als der Kuhhandel jetzt aufgeflogen war, kam die Börse ins rotieren. Zunächst sackten die Aktienkurse der übernahme–verdächtigen Unternehmen ab, auf die Boesky zuletzt gesetzt hatte. Blitzartig stürzten so die Werte der Gilette Company, für die Revlon ein Übernahmeangebot ausgeschrieben hatte, um mehr als sieben Punkte. Spektakulärer ist indes die Gerüchteküche der Wall Street. Wieviel wußten Icahn und Milken? Taucht auch der Name Michael Milken auf Boeskys Tonbändern auf, der in letzter Zeit bei einer stattlichen Zahl von Übernahmefinanzierungen mitgemischt hat, der mit Junk Bonds, besonders profitträchtigen Papieren mit hohem Risiko, ein Vermögen gemacht hat? Auch er ist führender Makler bei Drexel & Co. Vermutungen zirkulieren, er sei von seinem Posten bereits zurückgetreten. Und warum hat Amerikas führendes Maklerhaus Merrill Lynch Co. zu Wochenbeginn alle sechs Mitarbeiter der Akquisitionsabteilung hinausgeworfen? Merrill Lynch soll enorme Summen im Handel mit USX–Aktien verloren haben. USX kämpft zur Zeit dagegen, vom Großanleger Carl C. Icahn übernommen zu werden. Auch er gilt als möglicher Insider. Mit Milken liiert ist wiederum Ronald Perleman. Der Lebensmittelfilialist schaffte es auf unerklärliche Weise, in einem harten Übernahmegefecht die Kontrolle über den Kosmetikriesen Revlon Inc. zusammenzukaufen. Man darf gespannt sein auf die nächsten Wochen. Neue Gesetze gegen Aktienhaie Der Fall hat Stimmen laut werden lassen, die die sogenannte feindliche Übernahme strikteren gesetzlichen Regelungen unterwerfen wollen. Zahlreiche Firmenmanagement–Etagen haben Zeit und Energie auf nichts anderes verwenden müssen, als solche Übernahmen gegen den Willen der Firmeneigentümer zu verhindern. Bisher war solch strengeren Gesetzen gegen Aktienhaie im Kongreß kein Erfolg beschieden. Allein im vergangenen Jahr blieben 64 einschlägige Gesetzentwürfe im Kongreß erfolglos. Mit dem Boesky–Skandal und den für die Demokratische Partei erfolgreichen Wahlen dürften sich jetzt die Voraussetzungen etwas geändert haben. Auflösung vom 8.11. Das Wort, das angeblich so leicht zu erraten war, die Brücke zwischen Proletariat und Wirtschaftspolitik, hieß: Arbeitsamt. Ohne den Bauch der Rätselgemeinde zu sehr pinseln zu wollen, sei hier vermerkt, daß es von den tazlern (die ja allerdings ohnedies nichts zu gewinnen haben) bislang noch niemand geschafft hat, mit einem ausgefüllten Rätselgeviert zur Rätselredaktion zu kommen. Liebe Rätselgemeinde, In den vergangenen Wochen kamen hie und da Beschwerden, es gebe zu viele (Abk.) und (x) in dem Rätselquadrat. Wir geloben Besserung, aber alles braucht eben seine Zeit, unser Computer wird sich demnächst auch Gedanken darüber machen, wie man unsere Leser mit besonders kniffligen Fragen foppen kann. Das Lösungswort finden wir wie immer, wenn wir die zehn Buchstaben, die in die Felder mit den Zahlen im Quadrat gehören, der Reihe nach zusammenfügen. Unter den richtigen Einsendern verlosen wir zweimal 640 Seiten: Perspektiven Ökologischer Wirtschaftspolitik von der Gruppe Grüner Morgentau. Die Postkarten müssen aber bis zur Auflösung des Rätsels am 6.12. eingegangen sein bei der taz–Wirtschaftsredaktion, Wattstr. 11–12, D–1000 Berlin 65, Rechtsweg ausgeschlossen.

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