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USA–Iran: Außenpolitik in der Geisterbahn

■ Reagans Mitarbeiter bezichtigen sich gegenseitig der Schuld an der Krise nach dem Waffengeschäft mit dem Iran

Aus Washington Stefan Schaaf

Es war am Mittwochabend im Weißen Haus. „Ich würde die Rede gern auf ein anderes Thema bringen“, sagte die Dame am Mikrofon zu einem Präsidenten, der verwirrt und unsicher wirkte. „Ich wäre entzückt“, antwortete dieser. Willkommen in der Geisterbahn Reaganscher Außenpolitik, hereinspaziert in die grösste Krise, in die sich die Reagan–Administration in ihren sechs bisherigen Amtsjahren verstrickt hat. Reagans erste Pressekonferenz seit einem Vierteljahr war für jenen Abend angekündigt gewesen, und man erlebte einen Präsidenten, der blaß und zitternd nach Worten und Erklärungen suchte. Das Thema, das Reagan so gerne verlassen wollte, war seine Politik gegenüber dem Iran und seine geheimen Waffenlieferungen an die Armee des Ayatollah Khomeini, mittels derer er sich im Gegenzug die Freilassung amerikanischer Geiseln im Libanon erhoffte. Seit zehn Tagen überschlagen sich die Peinlichkeiten, jagen sich die neuen Enthüllungen und gehen des Präsidenten Untergebene aufeinander los. Ein Ende des heillosen Durcheinanders ist nicht in Sicht, denn manche Reagan–Mi tarbeiter würden zwar gerne öffentlich eingestehen, Fehler gemacht zu haben, während andere, vor allem der Präsident selbst, jedoch störrisch darauf beharren, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. McFarlane, der geheime Emissär im Iran, denkt mittlerweile, die Waffenlieferungen seien „ein Fehler“ gewesen. Stabschef Reagan konterte erbost, schließlich sei alles seine, McFarlanes, Idee gewesen. „Wenn er lausige Ratschläge gibt, kriegt er eben lausige Ergebnisse“. Rücktrittsforderungen machen die Runde. Außenminister Shultz soll den Kopf des Sicherheitsberaters Poindexter gefordert haben, während sein Vorgänger im State Department, Al Haig, Shultz nahelegte, seinen Hut zu nehmen, weil der Außenminister sich in den letzten Tagen mehrfach und öffentlich von der fatalen Iran–Politik der letzten achtzehn Monate abgesetzt hat. Die Krise hat mehrere Elemente, und das ist es, was sie schwerwiegender macht als frühere Perioden administrativer Verwirrung. In erster Linie signalisiert der Iran–Deal, daß eines der obersten Prinzipien Reaganscher Außenpolitik von den engsten Mitarbeitern des Präsidenten und auf seine ausdrückliche Anord nung hin gebrochen wurde. Mit Ländern, die sich des „Terrorismus“ schuldig machen oder die „terroristische Organisationen“ dulden oder gar fördern, solle jeglicher Umgang vermieden werden. Weil „Terror“ ein verwaschen definierter Begriff ist, war die Liste der Staaten, auf die der Bannstrahl aus dem Weißen Haus niederging, schon immer willkürlich. Der Iran aber stand an oberster Stelle. Ein damit eng verbundenes Prinzip war, Geiseln nicht auszutauschen und um ihre Freilassung keine Verhandlungen mit ihren Entführern aufzunehmen. Doch der unmittelbare Druck der Familien der im Libanon festgehaltenen US–Bürger hat Reagan veranlaßt, Kontakt zum iranischen Regime aufzunehmen. Der nächste faux–pas war, den geheimen Dialog nicht nur vor dem Parlament, sondern auch vor den zuständigen Abteilungen im Verteidigungs– und Außenministerium geheimzuhalten. Der „National Security Act“ von 1977 schreibt vor, daß die Geheimdienstausschüsse der beiden Kammern des Kongresses „in angemessener Frist“ - das heißt, innerhalb von 48 Stunden - von klandestinen Operationen in Kenntnis zu setzen sind. Erst am Freitag vergangener Woche stand CIA–Boss Casey den Parlamentariern Rede und Antwort. Darüber hinaus ist es gängige Praxis, die Fraktionsführungen des Kongresses in schwerwiegende politische Entscheidungen einzubeziehen - eine Praxis, an die Reagan sich im Falle der Invasion Grenadas und der Bombardierung Libyens auch gehalten hatte. Doch mit dem Alleingang Reagans und einiger Mitarbeiter im Nationalen Sicherheitsrat war der Keim für einen gravierenden Zwist innerhalb der Administration gelegt. Schon im Sommer 1985 hatte Verteidigungsminister Weinberger die später verfolgte Politik schriftlich als „absurd“ bezeichnet. „Dies ist“, kritzelte er an den Rand eines Papiers aus dem Nationalen Sicherheitsrat, „als würden wir Ghaddafi zum Lunch einladen“. Und Außenminister Shultz nahm im Januar dieses Jahres während eines Treffens im Weißen Haus vehement Stellung gegen die Absicht, weitere Waffen an den Iran zu liefern. Reagan entschied gegen die Bedenken seiner beiden Kabinettsmitglieder. Doch schlimmer noch als der außenpolitische Alleingang des Weißen Hauses wirkte sich das Netz von Lügen und Widersprüchen aus, in dem die Administration sich mit jedem Tag tiefer verheddert hat. Die Glaubwürdigkeit des Präsidenten ist nicht nur wegen seines Doppelspiels von Worten und Taten erschüttert, sondern vor allem, weil die Wahrheit nach wie vor zu vertuschen versucht wird. Nichts demonstrierte dies deutlicher als die Tatsache, daß Reagan eine Äußerung vor den Journalisten - Israel habe mit den Waffenlieferungen nichts zu tun - eine Viertelstunde nach Ende der Veranstaltung schriftlich widerrufen mußte. In Widersprüche verwickelte er sich mehrfach an jenem Abend, ob es um den Einfluß des Iran auf die im Libanon operierenden Hezbollahs ging, die Menge der gelieferten Waffen oder die Frage, ob seine Geheimhaltung der Aktion legal gewesen sei oder nicht. Der zwei Tage später folgende Auftritt des CIA–Direktors Casey vor dem Geheimdienstausschuß machte alles nur noch schlimmer. Der Präsident habe offensichtlich Gesetze umgangen, sagte der Ausschußvorsitzende Dürenberger anschließend; Senator Moynihan weigerte sich rundweg, dem aus dem Munde Caseys Gehörten Glauben zu schenken. Ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Stabschef Regan gab der Washington Post zu wissen, was des Präsidenten aktueller Vorschlag ist: Alle sollen den Mund halten.

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