Milde Strafen für schwere Jungs

■ Bewährungsstrafe für Ex–Wallraff–Chef / Subunternehmer Vogel und Remmert milde bestraft / Buchveröffentlichung „Ganz unten“ führte zum Prozeß / Verurteilte sind weiter in der „Branche“ tätig / Im Thyssen–Prozeß wurden Wallraffs Angaben bestätigt

Von Jakob Sonnenschein

Duisburg (taz) - Wegen Betruges, Steuerhinterziehung und Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) wurde am Montag in Duisburg der Subunternehmer Hans Vogel zu 15 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Über Vogel war der Kölner Autor Günter Wallraff Anfang 1985 an den Subunternehmer Remmert und von da weiter an Thyssen und Mannesmann ausgeliehen worden. Der zwischengeschaltete Adolf Remmert kam vor der 17. Strafkammer des Duisburger Landgerichts mit einer Geldstrafe in Höhe von 59.000 DM davon. Für ihn hatte auch die Staatsanwaltschaft lediglich eine Geldstrafe wegen Betruges und Verstoßes gegen das AÜG beantragt. Entgegen der Forderung der Staatsanwaltschaft hob das Gericht gegen Vogel das vorläufige Berufsverbot auf. Das Gericht stellte dem von Wallraff enttarnten Vogel „eine bedingt günstige“ Zukunftsprognose aus. Der Staatsanwalt hatte für Vogel zwei Jahre und sechs Monate ohne Bewährung gefordert. Vogel, inzwischen von der Industrie– auf die Toilettenreinigung umgestiegen, geht seinem miesen Geschäft nun mittels sogenannter „Werkverträge“ nach. Auch Adolf Remmert ist weiter gut im Geschäft. Seine frühere Firma wurde liquidiert, das Anlagevermögen in eine neue Firma eingebracht, wo der Sohn Remmerts als Prokurist arbeitet. Vater Remmert hat mit der neuen Firma einen Beratervertrag abgeschlossen: Laufzeit fünf Jahre, Monatseinkommen 10.000 DM. Da schmerzen die 59.000 DM den schon einmal wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe verurteilten wohl kaum. Die beiden Angeklagten Remmert und Vogel, die gleich mit fünf Rechtsanwälten aufwarteten, hatten während der Gerichtsverhandlung immer wieder erklärt, sie seien durch die Veröffentlichung von „Ganz unten“ schon genug bestraft worden. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Während der Beweiserhebung waren die im Buch genannten Verstöße in allen entscheidenen Punkten bestätigt worden: Illegale Arbeitnehmerüberlassung, Verstöße gegen Arbeitszeit– und Arbeitsschutzbestimmungen und die Vortäuschung von sogenannten „Werkverträgen“, um den Tatbestand der Leiharbeit zu vertuschen. Aus sicherer Quelle war zu erfahren, daß das Landesarbeitsamt gegen beide Beteiligten weiter ermittelt. Remmert, so hieß es, müsse mit einem sechsstelligen Bußgeld rechnen. Thyssen belastet Düsseldorf (ap) - Trotz der stark mit Eisenstaub versetzten Luft in einer Halle des Duisburger Werks der Thyssen AG wurde Ar beitern nach Aussagen eines Zeugen dort eine Atemschutzmaske verweigert. Ein türkischer Arbeiter sagte am Montag vor der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf im Prozeß der Thyssen AG gegen den Schriftsteller Günter Wallraff, seine Bitte nach einer Maske zum Schutz vor dem Staub sei mit der Bemerkung zurückgewiesen worden: „Du brauchst keine Maske. Da ist Eisen drin. Das ist gut für deine Lunge“. Der Zeuge berichtete, er habe mit dem Schriftsteller während der Zeit der Recherchen für sein Buch zusammengearbeitet. Thyssen will Wallraff sieben Behauptungen untersagen lassen. Darunter fallen die Anschuldigungen Wallraffs, Thyssen baue die Stammbelegschaft ab und ersetze sie durch Leiharbeiter, sowie die Beschreibungen der Arbeitsbedingungen in dem Werk. Während jedoch die Republikaner für eine sofortige Einsetzung plädieren, wollen die Demokraten, daß die Kommissionen erst im Januar zusammengestellt werden. Sie gehen davon aus, daß sie Anfang des Jahres die Vorsitzenden in den Kommissionen stellen. Der Aufforderung des republikanischen Fraktionsvorsitzenden Dole im Senat an Reagan, für diese Woche eine Sondersitzung des Kongresses einzuberufen, um eine Untersuchungskommission zu bilden, werden deshalb wenig Chancen eingeräumt. Der Geheimdienstsausschuß des Senats begann währenddessen mit seinen nicht–öffentlichen Ermittlungen. Auch CIA–Chef Casey ist in die Schußlinie geraten. Er gibt an, nur „Gerüchte“ gehört zu haben. Am Sonntag hatte auch Vize–Präsident Bush sein langes Schweigen gebrochen. In seiner ersten Stellungnahme zu dem Skandal seit Bekanntwerden der geheimen Geschäfte stellte sich der nach der nächsten Präsidentschaft strebende profillose Politiker ebenfalls der „Times“. Er bestritt, daß sein Präsident oder er etwas von dem Deal mit den Contras gewußt hätte. mf