AIDS–Kranke im Polizei–Computer

■ Landeskriminalamt Hessen speicherte eigenmächtig „AIDS–Fälle“ im „Hepolis“ / Innenministerium ordnet sofortige Löschung an / Glaubwürdigkeit der AIDS–Selbsthilfegruppen wurde dadurch erschüttert

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Obgleich auf der Konferenz der Länderinnenminister im Oktober 86 kein Beschluß über die Speicherung von an AIDS erkrankten Personen gefaßt wurde, haben leitende Mitarbeiter des hessischen Landeskriminalamtes (LKA) sogenannte „AIDS–Fälle“ in das Polizei– Computer–System „Hepolis“ eingespeist. Das LKA begründete diesen Verfassungsbruch mit der Fürsorgepflicht für die hessischen Polizeibeamten, denn bei der genannten Konferenz der Innenminister waren Computererfassungsmaßnahmen für AIDS–Kranke durch aus Gegenstand der Diskussion gewesen. AIDS–Patienten, so die seinerzeit kursierenden Vorschläge, sollten in den Computern der Landeskriminalämter mit Vermerken wie „Vorsicht Ansteckungsgefahr“ oder „Vorsicht bei Blutkontakt“ gekennzeichnet werden. Doch gerade auf Intervention des rot–grün regierten Bundeslandes Hessen hin wurden diese Vorschläge zunächst noch „ad acta“ gelegt. Daß jetzt ausgerechnet das hessische Landeskriminalamt eigenmächtig AIDS–Patienten im „Hepolis“–Computer gespeichert hat, sei - so die Auffassung der Grünen im hessischen Landtag - auch ein „Affront gegen die hessischen Verhältnisse“. Schon seit Mona ten drängten führende Beamte aus dem LKA und aus den Reihen der Frankfurter Polizei auf „entschiedenere Maßnahmen“ gegen AIDS–Kranke. Wie Iris Blaul, Mitglied der Landtagsgruppe der hessischen Grünen und zuständig für Sozial– und Gesundheitspolitik, auf Nachfrage der taz erklärte, sei mit dieser „gesetzeswidrigen Speicherung“ ein „kaum noch wiedergutzumachender Schaden angerichtet“ worden. Die Bereitschaft der Menschen, die an sich selbst AIDS–Symptome festgestellt haben, sich einem Test zu unterziehen, werde - angesichts dieser Erfassung im Polizeicomputer - rapide sinken. Darüber hinaus sei die Glaubwürdigkeit der AIDS– Selbsthilfegruppen, die immer auf die Anonymität der Tests verwiesen hätten, „schwer erschüttert“ worden. Iris Blaul: „Das wird ein parlamentarisches Nachspiel haben.“ Mit der Ankündigung des Innenministeriums, daß die gespeicherten Daten „sofort wieder gelöscht“ würden, wollen sich die Grünen nicht zufriedengeben. Insbesondere müsse jetzt geklärt werden, wie die Beamten des Landeskriminalamtes an die entsprechenden Daten gekommen sind. Die Landtagsgruppe befürchtet, daß möglicherweise die örtlichen Gesundheitsämter hier „Zuliefererdienste“ geleistet haben könnten. Iris Blaul: „Dann wäre der Skandal perfekt.“