piwik no script img

Shit–Kekse und Brösel im Kaffee–Haus

■ Der Handel mit soft drugs ist in den Niederlanden zwar verboten, wird von den Behörden aber toleriert / Das Finanzamt kriegt natürlich auch was ab

Aus Amsterdam Peter Finger

„Englisches Touristenehepaar beschwert sich beim Botschafter über Kuchen“ meldete vor kurzem die niederländische Presse. Das Ehepaar war keineswegs einem ranzigen oder wurmstichigen Gebäckstück, sondern einem sprachlichen Mißverständnis aufgesessen. Nach einem Einkaufsbummel, einem Besuch im Amsterdamer Reichsmuseum und der obligatorischen Grachtenrundfahrt hatten sie die Zeit für den Verzehr eines heißen Kaffees und eines leckeren Stücks Kuchen gekommen gesehen. Des Holländischen nicht mächtig, hatten sie einen angenehm englisch klingenden „Coffieshop“ aufgesucht und nicht die holländische Variante „Coffiehuis“. Auch der Kuchen in der Vitrine trug den anheimelnd englischen Namen „Spacecake“, nur seine Wirkung war dem Ehepaar schnell unheimlich. Der Handel mit Haschisch– und Marihuana–Produkten, der die „Coffieshops“ von traditionellen Kaffeehäusern unterscheidet, ist zwar offiziell verboten, wird aber weitgehend toleriert. In den Niederlanden gibt es etwa 650 dieser Shops, die die Bedürfnisse eines wachsenden und immer respektabler werdenden Publikum befriedigen. Und das fünffingrige frisch–grüne Hanfblatt, mit dem die Amsterdamer Kaffeehäuser ihre Geschäftsfenster oder Aushängeschilder diskret, aber sichtbar verziert haben, gehört mittlerweile selbstverständlich zum Bild der Stadt. Im übrigen unterscheidet sich der „Coffieshop“ kaum von einem gewöhnlichen Cafe mit jungem Publikum. Es ist nur etwas unruhiger durch das ständige Kommen und Gehen derer, die auf dem Nachhauseweg schnell noch etwas Stoff einkaufen, um abends im Kreis der Familie oder Freunde nach dem Essen zum Tee noch einen Joint zu drehen. Ausländischen Gästen kommt es etwas seltsam vor, nach dem Dessert zwischen verschiedenen Haschischsorten zu wählen und dem Großvater und seinem Enkel bei einer Fachdiskussion über die Vorzüge einer bestimmten Sorte zuzuhören. Von dem lukrativen Handel mit soft drugs profitiert auch die öffentliche Hand. So waren Amsterdamer Straßenbahnen geraume Zeit mit einer Werbung für „Bulldog“ beklebt, einem Unternehmen, das in Amsterdam und Den Haag „Coffieshops“ betreibt. Die Proteste schockierter Trambahnfahrer machten dem Werbegeschäft dann allerdings ein Ende. Auch mit dem Fiskus bestehen mehr oder minder geregelte Beziehungen. Wie bei der Prostitution verschmäht das Finanzamt beim Handel mit soft drugs die Steuereinnahmen nicht, auch wenn ihre Sollhöhe manchmal schwierig zu bestimmen ist. Die Eigentümer der meisten „Coffieshops“ beschäftigen nämlich einen sogenannten „Hausdealer“ (in Fachkreisen „the man“) genannt, der in einer ruhigen Ecke sein Geschäft betreibt. Er gehört offiziell nicht zum Personal und erweckt den Eindruck, allein für sich zu arbeiten. In Wirklichkeit bilden Dealer und Cafeeigentümer jedoch eine wirtschaftliche Einheit. Von den erklecklichen Umsätzen, die der Drogenhandel täglich einbringt, wird somit nur der Anteil versteuert, den der Eigentümer vorgibt, an Provision an den Dealer bezahlt zu haben. Durch die Steuerzahlungen sowie durch ihre Bemühungen, den Handel mit harten Drogen in ihren Etablissements zu unterbinden, versuchen die „Coffieshop“–Betreiber, sich einen halbwegs seriösen Anstrich zu geben und nicht Zielpunkt polizeilicher Razzien zu werden. Das klappt auch meistens. Die Amsterdamer „Narcotica–Brigade“ tritt gewöhnlich erst dann auf, wenn die Zahl der gehandelten Drogensorten eine unerwünschte Ausbreitung erfährt. In Amsterdam gibt es zur Zeit rund 350 „Coffieshops“. Das sind doppelt soviel wie vor drei Jahren. Um sich gegen die wachsende Konkurrenz zu wehren, fordern die alten Füchse der Branche regelmäßig Zusammenarbeit der Alteingesessenen unter Zuhilfenahme schlagkräftiger Jungs aus den umliegenden Sportschulen. Andere fühlen sich verleitet, das Sortiment mit hard–drugs anzureichern. Die meisten „Coffieshop“– Inhaber versuchen jedoch, ein breiteres Publikum anzusprechen, das nicht ausschließlich aus soft drugs–Konsumenten besteht. Ein Mitarbeiter eines „Coffieshops“ sagt dazu: „Was wir tun, ist das gleiche wie Fahrradfahren ohne Rücklicht: es ist verboten, aber es stört auch nicht, denn jeder tut es.“ Solch eine Aussage kann sicher nur in Holland gemacht werden.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen