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„Der alte Affe kriegt die Stelle nicht“

■ Dubiose Praktiken eines Mitarbeiters der Personalverwaltung bringen Filz und Intrigen an der Oldenburger Reform–Universität ans Licht / Heute fällt eine erste Gerichtsentscheidung / von Deflef Berentzen

Oldenburgs Reformuniversität kommt nicht zur Ruhe. Kaum hat anfang Oktober nach langen internen Rangeleien der neue Präsident Michael Daxner sein Amt angetreten, wird eine Affäre wieder aufgekocht, die bereits Ende letzten Jahres für interne Furore sorgte. Damals hatte der ASTA angefragt, ob der Uni–Leitung bekannt sei, daß ein Universitätsbeamter in gehobener Stellung der politischen Polizei Oldenburgs Erkenntnisse zukommen lasse. Jetzt plötzlich klagt ein hoher Beamter auf Unterlassung und der anzler der Uni wegen Beleidigung. Wahrlich kein guter Start für Daxner.

„Dem Beklagten wird untersagt, weiterhin zu behaupten, der Kläger sei Spitzel oder V–Mann der Politischen Polizei Oldenburg, er sei bereits einmal aus dem Staatsdienst geflogen und habe ein Vorstrafenregister in dem u.a. Unterschlagung, Hehlerei, Zuhälterei und betrügerischer Konkurs vermerkt sei ...“ Bei Zuwiderhandlung sollen eine Geldstrafe von bis zu DM 500.000 bzw. sechs Monate Freiheitsentzug angeordnet werden. Der Kläger ist Manfred Weber, Regierungsoberinspektor, tätig in der Personalabteilung der Universität Oldenburg. Beklagt wird die Studentenzeitschrift Unicum, resp. deren Chefredakteur Joachim Berger. Letzterer will bislang allerdings gar nichts widerrufen. Seiner Meinung nach hat Unicum in seinem Artikel „Spitzel an der Uni Oldenburg“ nichts behauptet, was einen Widerruf rechtfertigen würde. Und tatsächlich läßt sich auch bei mehrmaligem Durchlesen des beanstandeten Artikels keine konkrete Verbindung zwischem dem Spitzel– Vorwurf und der Person des Klägers Manfred Weber herstellen. Eine Überreaktion des Regierungsoberinspektors? Das Landgericht Oldenburg scheint das zu vermuten. Es hat für den heutigen Tag einen mündlichen Verhandlungstermin anberaumt, was als sicheres Zeichen dafür gelten kann, daß es Probleme mit der beantragten einstweiligen Verfügung hat. Doch Manfred Weber ist nicht der einzige, der gegen die Studentenzeitschrift gerichtlich vorgeht. Kanzler und Präsident der Universität Oldenburg haben gleichzeitig Klage gegen das Blatt erhoben. Vorwurf: Beleidigung und Verleumdung. Befremdend ist der Zeitpunkt der Klageerhebung - der inkriminierte Artikel erschien bereits in der Juniausgabe der Studentenzeitschrift, gerichtliche Schritte wurden erst im November eingeleitet. Immerhin ist es eine brisante Sache, wenn öffentlich der Vorwurf erhoben wird, ein hoher Beamter der Universität arbeite als Spitzel und habe auch ansonsten einiges auf dem Kerbholz, was seine sofortige Suspendierung nach sich ziehen müßte. Doch der Präsident der Universität Oldenburg, Michael Daxner, signalisiert Gelassenheit. Er sieht „keine Veranlassung“ verwaltungsintern tätig zu werden. Mit dieser Auffassung steht er in der Tradition seines Amtsvorgängers Zillesen: Den warf es scheinbar auch nicht vom Stuhl, als der Sprecher des damaligen Basisgruppen– AstA, Michaelis Kakarouchas, im September vergangenen Jahres eine unverhoffte Anfrage an den Senat der Universität richtete: „Aufgrund von Informationen aus dem Polizeidienst ist dem AstA bekannt geworden, daß ein Beamter in gehobener Stellung der zentralen Verwaltung der Politischen Polizei Oldenburg Erkenntnisse mitgeteilt und universitätsinterne Unterlagen (Flugblätter etc.) über studentische Aktivitäten überge ben hat. Außerdem hat der AstA erfahren, daß ein Beamter im gehobenen Dienst der Personalverwaltung datengeschützte Personenmerkmale dem für die Universität zuständigen Mitarbeiter der örtlichen Filiale des Beamtenheimstättenwerks zuspielt.“ Ein Mann fühlt sich angesprochen Der AstA–Sprecher ist vorsichtig. Kein Name wird genannt. Aber die Uni–Verwaltung will Namen hören. Der Beauftragte der Universität für Datenschutz wendet sich daher an den AstA–Sprecher mit der Bitte um nähere Informationen. Schriftlich verweigert der Sprecher die Zusammenarbeit. In dieser Situation bekommt der Datenschützer „Hilfe“ von ganz unerwarteter Seite. Regierungsinspektor Weber bringt sich selbst ins Gespräch: Er fordert den damaligen Universitätspräsidenten Zillesen auf, ihn vor den Vorwürfen, die ihm namentlich gar nicht gemacht wurden, in Schutz zu nehmen. Trotzdem findet eine Untersuchung des Sachverhalts nicht statt, zumindest nicht offiziell. Bis heute nicht. Im Gespräch mit der taz verneint der neue Präsident der Universität, Manfred Daxner, denn auch das Vorhandensein „materieller Anhaltspunkte“ und kritisiert die erhobenen Vorwürfe als „nach meinem jetzigen Kenntnisstand unwahr“. Daxner bezieht sich dabei auf die Studentenzeitschrift Unicum, die durch ihre Veröffentlichung im April dieses Jahres die Geschichte weiter am Kochen gehalten hatte. Denn für den derzeitigen AstA ist der Fall kein Thema mehr. Ebenfalls im April hat eine Koalition aus „Spartakus“ und „SHB“ den Anti– AstA, der den „Spitzel–Stein“ ins Rollen gebracht hatte, abgelöst. Der neue Fachschaftsreferent Michael Nay meint heute lediglich: „Alles Gerüchte“. Er wisse nicht einmal, in welchem Bereich er suchen solle und schon gar nicht, um wen es gehen könnte. Es drehe sich bei dieser Affäre wohl nur darum, „etwas politisch auszuschlachten“. Alles nur Gerüchte Daß dem nicht so ist, beweisen eidesstattliche Versicherungen, die der taz von Mitgliedern der Universität vorliegen und die bestätigen, daß die Vorwürfe gegen Manfred Weber ihre Berechtigung haben. Danach bekam er in seinem Dienstzimmer tatsächlich Besuch von einem Zivilbeamten der örtlichen Politischen Polizei und übergab ihm Flugblätter, die er zuvor in der Mensa der Universität eingesammelt hatte. Der „Kollege“ von der Polizei erwähnte während der Zusammenkunft noch schamhaft, daß es für ihn mittlerweile nicht mehr unbedenklich sei, offen an der Universität aufzutauchen. Doch Weber kümmert sich nicht nur um die Kontakte zur Obrigkeit. „Er hat seine Finger überall drin“, behauptet der Schreiber eines Leserbriefs an die Oldenburger Stadtzeitung Stachel: „In den Kneipen tönt der Weber rum, daß er eigentlich der Personalchef sei und als CDU–Mitglied die SPD–Unileitung fest im Griff habe.“ Ambitionen zum Personalchef werden es auch gewesen sein, die den Regierungsoberinspektor im Falle eines unliebsamen Doktoranden tätig werden ließen. Dessen Einstellung war zwar vertraglich abgesichert, aber dennoch gibt es Probleme: Die Personalakte des Doktoranden landete trotz fehlender Zuständigkeit in Webers Händen und dort gilt der Vertrag nichts mehr. Mit dem Satz „der alte Affe kriegt die Stelle nicht“, soll Weber nach Angaben anderer Universitätsmitarbeiter den Fall entschieden haben. Und wirklich, der „alte Affe“ hat zwei Jahre um die Einweisung auf die vorgesehene Planstelle kämpfen müssen - bis ihm das Verwaltungsgericht recht gab. Seine linke Vergangenheit hatte ihn offenbar in den Augen Webers und der Uni–Leitung diskreditiert. Wieder einmal hat Weber die „Drecksarbeit“ gemacht, so ein Informant gegenüber der taz, doch was ist eigentlich der Lohn für seine Anstrengungen? Könnte es sein, daß der in der unkontrollierten Nutzung der Datenbank der Personalabteilung besteht? So mancher Vertreter würde einiges darum geben, derlei Datenbestände für sich nutzen zu können. Der Agent des amtlichen Beamtenheimstättenwerks, einer Bausparkasse für den öffentlichen Dienst, habe Weber jedenfalls oft genug Besuche abgestattet, bekommt man an der Uni zu hören. Geld hat der jetzige Regierungsobserinspektor noch nie genug gehabt. Schon während seiner Dienstzeit in der Kreisverwaltung der Stadt Aachen wurde ihm diese Tatsache zum Verhängnis. Wegen begangener Unterschlagung wurde ihm dort eine „freiwillige Kündigung“ nahegelegt, um ein drohendes Disziplinarverfahren zu vermeiden. So auf die Straße gesetzt, wählte er die Karriere eines umherziehenden „selbständigen Musikers“. Allerdings nur für drei Jahre, dann taucht der vormalige „Kreisinspektor z.A.“ als kaufmännischer Angestellter im Oldenburgischen Bauunternehmen Jürgen Vick wieder auf. Glücklich wird er aber dort auch nicht, der Firma geht es wie ihm: sie hat Geldprobleme und geht folgerichtig in Konkurs. Wer dabei welche Summe auf die Seite geschafft hat, ist bis heute Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens. Daß es ihm trotzdem gelang, den begehrten Job in der Uni–Verwaltung zu bekommen, bleibt der dubioseste Teil der ganzen Geschichte. Bekannt ist nur, daß ausgerechnet der SPD–Mann und Kanzler der Universität, Lüthje, sich für ihn stark gemacht hatte. Für ihn ist Weber ein „Rehabilitationsfall“, der eine Wiedereingliederungshilfe bekommen sollte. Zwar hat Weber nach wie vor Geldprobleme und ein Ermittlungsverfahren am Hals, doch man gibt ihm eine Chance - Weber nutzt sie. Er macht sich beliebt. Der „engagierte Einsatz“ des Herrn Weber wird gelobt und trägt auch Früchte: die Beförderung zum Regierungsoberinspektor. Stolperstein für den neuen Präsidenten Im Aufgabenbereich Personalabteilung soll Weber „längerfristig verbleiben“, das wird ausdrücklich gewünscht. Ob dieser Wunsch bei einer derartigen Auffassung von Pflichterfüllung aufrechterhalten werden kann, ist mittlerweile doch recht fragwürdig. Die Universität wird diese Frage öffentlich klären müssen. Genau das fordern auch die Betroffenen der Universität Oldenburg. Eine schwierige Aufgabe für den Uni–Präsidenten Daxner, der erst seit Oktober dieses Jahres im Amt ist und von daher die Angelegenheit nicht zu verantworten hat. Dem Makel der „Fortschrittlichkeit“, der ihm kürzlich von der Tageszeitung Die Welt zugesprochen wurde, gesellt sich so noch eine Affäre hinzu, bei der sein Name aufs Neue ins Spiel kommt. Tatsächlich ein gefundenes Fressen für die, die den Fall just nach dem Amtsantritt des neuen Uni– Präsidenten im Oktober durch die Klage wieder aufleben ließen, nachdem sie monatelang Stillschweigen darüber wahrten. So wird eine „Rehabilitationsmaßnahme“ zu einem Stolperstein auf dem Weg des Mannes, der dem Filz an der Universität Paroli bieten könnte. Wie soll sich Manfred Weber noch vor der Ernennung des neuen Präsidenten geäußert haben: „Was mache ich bloß, wenn der Daxner kommt.“

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