piwik no script img

„Irangate“: Ein Geschenk des Himmels

■ Für die nicaraguanische Führung verbindet sich mit der Affäre in Washington die Hoffnung auf einen endgültigen Niedergang der Contra / die außerparlamentarische Oppostition in USA bleibt skeptisch

„Irangate“, so der inoffizielle Tenor in Managua ist für uns ein Geschenk des Himmels. Tatsächlich machen sich bereits drei Wochen nach dem ersten Knall in Washington unübersehbare Erosionserscheinungen im Kreise der bisher mit Reagan eng liierten zentralamerikanischen Länder bemerkbar. Sowohl Costa Rica als auch Honduras gehen deutlich auf Distanz zur Contra und machen auch keinen Hehl mehr daraus, daß sie die „Freiheitskämpfer“ am liebsten ganz loswerden wollen.

„Der Irangate–Waffenskandal kommt für Nicaragua wie ein Geschenk des Himmels“, sagte kürzlich ein hoher Regierungsfunktionär in Nicaragua. Für die Sandinisten ist das in zweierlei Hinsicht zutreffend: Erstens sind Präsident Reagan, der die „Befreiung“ Nicaraguas als persönlichen Kreuzug betrachtet, außenpolitisch die Hände gebunden solange er mitsamt seinem engsten Mitarbeiterstab das Kreuzfeuer des Kongresses abwehren muß. Und zweitens ist auch die Führung der Contras in ihren Bemühungen um internationale Anerkennung gescheitert, seit ihr begeistertster Förderer politisch angeschlagen ist. Noch dazu durch Enthüllungen über eine Affäre, deren Nutznießer sie selbst gewesen sind. Die immer offenkundigere militärische Niederlage der Antisandinisten wird, so hofft man in Managua, dank „Irangate“ durch die politische ergänzt. „Ausgerechnet als wir glaubten die Schlacht um unsere weitere finanzielle Unterstützung gewonnen zu haben, fällt uns das auf den Kopf“, jammerte Contra–Chef Adolfo Calero vor einigen Tagen in Washington, wo er von der Presse um seine Meinung zum Skandal gebeten wurde. „Jetzt kann man uns als Lieblingsprojekt eines machtlosen Präsidenten betrachten, und das kann für uns das Ende bedeuten“, fügte ein anderer „Freiheitskämfer“ hinzu. In der Tat haben die Antisandinisten, die sich noch zu Jahresbeginn zuver sichtlich gezeigt hatten 1986 den großen Durchbruch zu schaffen, wenig Grund zum Optimismus. Wenn selbst in Washington immer mehr Stimmen laut werden, die den im Solde Reagans stehenden Kämpfern nicht mehr zutrauen, jemals nennenswerte Unterstützung in Nicaragua zu finden, so wollen sich auch die Verbündeten der USA in Zentralamerika nicht mehr die Finger verbrennen. Costa Ricas Präsident Oscar Arias, der aus seiner Abneigung gegen die Comandantes in Managua nie ein Geheimnis gemacht hat, sieht sich seit „Irangate“ in seiner Meinung bestätigt, daß auch die Contra nicht die Lösung für Nicaragua ist. Um seiner Entschlossenheit sein Land aus dem militärischen Konflikt herauszuhalten, Nachdruck zu verleihen, erklärte er gegenüber der Washington Post, daß er Mitte des Jahres eine von den USA für die Contra gebaute Landepiste im Norden Costa Ricas gesperrt hätte. Reagan, der durch die Verschiebung der Machtverhältnisse im Senat und den Waffenskandal seine gesamte Mittelamerikastrategie bedroht sieht, konnte seinen Amtskollegen bei dessen Washington– Besuch Anfang Dezember nicht von der Nützlichzkeit der Contras überzeugen. Und selbst für den honduranischen Präsidenten Jose Azcona scheint sich dank „Irangate“ ein willkommener Ausweg aus seiner Zwickmühle zu weisen: Während die USA von ihm Beherbergung und logistische Unterstützung ihrer Schützlinge verlangen, hat innenpolitisch der Protest gegen die lästigen „Besucher“ inzwischen auch konservative Kreise erfaßt. Der Abgeordnete der Nationalen Partei Nicolas Cruz Torres, der die Interessen der Wähler in seinem Heimatdepartement El Paraiso in dem die Contra sich hauptsächlich breit gemacht hat, vertreten muß, hat im Oktober den Rausschmiß der Contras sogar vor dem Parlament beantragt. Azcona kann sich nicht mehr auf seine traditionelle Position zurückziehen, das „gelegentliche Eindringen“ der Rebellen über eine über 300 km lange Grenze könne von den Streitkräften nicht verhindert werden. Denn spätestens seit der Hasenfus–Affäre ist bewiesen, daß die Contras ihre logistische Basis mitten in Honduras haben. Wenn die kürzlich vom angesehenen New Yorker Wall Street Journal veröffentlichten Informationen stimmen, dann hat Azcona seinem Mentor Regan das Versprechen abringen können, daß dieser seine erfolglosen „Freiheitskämpfer“ bis April 1987 aus Honduras abzuziehen. Die Contra–Karte hat für realistische Denker schon längere Zeit an Attraktivität verloren, aber erst durch „Irangate“ hat sich erwiesen, wie sehr das Schicksal der rechten Rebellen mit dem des Weißen Hauses verknüpft ist. Derzeit kann man jedoch nur darüber spekulieren, ob die Ereignisse den Weg zu einer politischen Lösung ebnen oder in eine noch direktere Verwicklung der USA in Zentralamerika münden. Ralf Leonhard

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen