Mildes Richterurteil über tödliche Folter

■ Eine knapp dreijährige Haft– und zwei Bewährungsstrafen im Prozeß gegen Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann wegen tödlicher Folterung

Aus Nürnberg Bernd Siegler

Milde Strafen verhängte Richter Adolf Kölbl von der 13. Großen Strafkammer des Nürnberg–Fürther Landgerichts gestern gegen drei ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe–Hoffmann (WSG). Sie sollen im Libanon das Hamburger WSG–Mitglied Kai Uwe Bergmann (20) im Januar 1981 so traktiert haben, daß dieser an den Folterungen starb. Da man dem Angeklagten jedoch keine schwere Körperverletzung nachweisen könne, so Kölbl, dürfe man lediglich eine gefährliche Körperverletzung zur Grundlage des Urteils machen. Laut Strafrecht liegt eine schwere Körperverletzung dann vor, wenn dem Opfer derartige Verletzungen zugefügt werden, so daß sein Äußeres dauerhaft gravierend entstellt wird. Da Bergmann jedoch an den Torturen gestorben ist, könne dieser Tatnachweis nicht mehr geführt werden. Bergmanns Leiche wurde nie gefunden, daher gilt er offiziell nicht als tot und die Anklage lautete infolgedessen nicht auf Körperverletzung mit Todesfolge. Franz Joachim Bojarski (35) wurde zu zwei Jahren und neun Monaten, Walter Ulrich Behle (27) zu 15 Monaten auf Bewährung und Uwe Mainka (29) zu 19 Monaten auf Bewährung verurteilt. Alle Haftbefehle wurden aufgehoben. Forts. Seite 2 Behle und Mainka konnten den Gerichtssaal wieder als freie Männer verlassen, Bojarski muß nach Anrechnung der Untersuchungshaft noch sechzehn Monate lang büßen. Staatsanwalt Gerd Breitinger hatte für die „menschenverachtenden und sadistischen Quälereien“ Strafen zwischen viereinhalb und zweidreiviertel Jahren gefordert. Seiner Meinung nach sollte man beim Urteil mehr an das Opfer Kai Uwe Bergmann denken, als an die Angeklagten, „die das Abenteuer Libanon offensichtlich gut überlebt“ hätten. Bergmann galt im Lager Bir Hassan in Beirut, in dem sich die Hoffmann–Truppe zur paramilitärischen Ausbildung aufgehalten hatte, als notorischer Raucher und verstieß immer wieder gegen das von Hoffmann auferlegte Rauchverbot. Zunächst wurde Bergmann mit Hürdenläufen und Fesselungen ans Bett bestraft, bevor er unter seinem Aufseher Bojarski die „Langzeitstrafe“ antreten mußte. Dabei mußte er Öl und Nikotintee trinken, Erbrochenes wieder aufessen, wurde geschlagen und getreten. Bei einer Wasserkur, bei der dem Opfer ein Tuch über den Kopf gezogen und dieses dann mit Wasser übergossen wird, so daß Todesängste und Atemnot entstehen, kugelte sich Bergmanns Arm aus. Den Aufenthalt im Gazah– Krankenhaus nutzte er zur Kontaktaufnahme mit der UNESCO, scheiterte jedoch an Verständigungsschwierigkeiten. So kam Bergmann wieder ins Hoffmann– Lager. Als Hoffmann von Bergmanns Kontaktversuchen Wind bekam, befahl er Bojarski und Behrendt, der später im Libanon Selbstmord begangen haben soll, Bergmann zu verhören. Ein Verhör, dessen Ende WSG–Mitglied Leroy Paul mit den Worten beschrieb: „Das dumme Schwein lebt nicht mehr“. Zusammen mit Behrendt drückte Bojarski brennende Zigaretten auf Bergmanns Körper aus, zog ein glühendes Bajonett über seinen Bauch, bis die Haut sich ablöste, und verkohlte seine Hand mit einem Esbit–Würfel. Mainka und Behle schoben dabei Wache und schauten der Quälerei später zu. Behle besorgte die Zigaretten, das Bajonett und den Esbit–Würfel. Als Bergmann nur noch wimmerte, schlug Karl–Heinz Hoffmann, der im Juni diesen Jahres zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilte wurde, barbarisch auf ihn ein. Bergmann wurde in derselben Nacht noch weiter gefoltert oder ermordet. Während Staatsanwalt Breitinger die Entschuldigung der Angeklagten, sie hätten lediglich Hoffmanns Befehle ausgeführt, nicht gelten ließ, hielt Richter Kölbl Behle und Mainka, die den Folterungen zusahen, nicht einmal der unterlassenen Hilfeleistung für schuldig. Man müsse zwar bei den Beteiligten eine „Lust am Quälen“ feststellen, jedoch habe die Bürgerkriegssituation im Libanon bei allen die Gewaltbereitschaft gefördert. Richter Kölbl, der die Hauptverhandlung bereits mit den Sätzen begonnen hatte, er hätte Besseres zu tun, als „alte Geschichten“ (z.B. politische Vergangenheit) aufzuarbeiten, wertete auch die lange Zeitdauer bis zur Verfahrenseröffnung als strafmildernd - ein Verschulden der Staatsanwaltschaft, die erst die Aburteilung Hoffmanns abwarten wollte.