piwik no script img

P O R T R A I T Kampf dem „Dämon des Rassismus“

■ Der „African National Congress“ (ANC) feiert heute seinen 75. Geburtstag / Seit 1960 nach Massaker durch die Polizei im Untergrund / Heute international anerkannt

Am 8. Januar 1912 trafen sich im Zentrum des neuen Staates „Südafrikanische Union“ in Bloemfontein im Oranjefreistaat eine Gruppe Schwarzer. Neu war, daß zu diesem Treffen Häuptlinge kamen, die Stämme repräsentierten, die lange als miteinander verfeindet angesehen worden waren. Nicht nur das, es kamen auch Schwarze, die in der traditionellen schwarzen Gesellschaft keinen Rang einnahmen - Ärzte, Pfarrer, Journalisten, Rechtsanwälte. Damals wurde jene Organisation gegründet, die sich später African National Congress nannte und die älteste schwarze nationalistische Partei auf dem afrikanischen Kontinent wurde. Was vor allem in Erinnerung blieb, sind die Worte des Rechtsanwaltes Pixley ka Isaka Seme. Er schrieb damals: „... Der Dämon des Rassismus, die Verwirrungen des Xhosa–Fingo–Streites, die Feindseligkeit zwischen Zulu und Tsonga, zwischen Basuto und allen anderen Afrikanern müssen beendigt und vergessen werden... Wir sind ein Volk. „Wir sind ein Volk.“ Diese Einsicht ist das Kernprinzip des ANC geblieben. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich eine kleine schwarze Mittelschicht gebildet. Einige ihrer Angehörigen unterstützten die weißen Parteien, andere kämpften um mehr Bürgerrechte und um deren Anerkennung innerhalb des neuen Staates, den die Briten gründen wollten. Die Briten hatten schon lange das südliche Afrika - ihre „Einflußsphäre“ - durch eine Bündnisgemeinschaft einigen wollen, und zwar einschließlich des Gebietes Nord– und Südrhodesien, das der Gesellschaft des inzwischen verstorbenen Cecil Rhodes gehörte. Doch dem stand vieles im Weg: die „Eingeborenenpolitik“ der Burenrepubliken und die Weigerung einheimischer Stämme in eine Union mit den britischen und burischen Gebieten integriert zu werden. Die schwarzen Bürger der britischen Kolonien fürchteten die Union. Die Briten versprachen ihnen, daß ihre Rechte in der Verfassung verbürgt würden, trotz der darin verankerten Rassenschranken. Die Schwarzen trauten den Versprechungen nicht, sie fürchteten um ihr Land. In der Verfassung der Südafrikanischen Union von 1910, die sich selbst im Jahre 1961 - mit fast derselben Verfassung - zur Republik erklärte, war jedoch eine feste Rassenschranke errichtet. Bereits ein Jahr nach der Gründung der Partei stellte sich heraus, daß die Befürchtungen der Schwarzen, ihr Land einbüßen zu müssen, nur zu berechtigt waren. Das Landgesetz vom Jahr 1913 verdrängte die Schwarzen aus „Weiß“–Südafrika und gab ihnen lediglich das Recht auf sieben Prozent des Gesamtgebietes, was 1936 auf 13 hinaus wurden die Rassenschranken am Arbeitsplatz verschärft. In ganz „Weiß“–Südafrika sollten die Schwarzen lediglich als vorübergehende Wanderarbeiter leben, ohne Familie - und natürlich ohne Ansprüche oder Rechte. Die alten Paßgesetze wurden verschärft. Ein bürokratischer Apparat wurde aufgebaut, um „Nicht– Weiße“ zu kontrollieren. Doch für Südafrika - Schwarz wie Weiß - hatte der Kampf erst begonnen. 1944 gründeten junge ANC–Mitglieder eine Jugendgruppe. Sie waren entschlossen, ihre Partei zu veranlassen, mehr als nur Bittbriefe an die Regierung zu richten. Mitglieder der Jugendgruppe waren unter anderen Nelson Mandela, Oliver Tambo und Robert Sobukwe. Mandela wurde 1963 zu lebenslanger Haft verurteilt. Tambo wurde im Exil ANC–Präsident. Sobukwe aber zerstritt sich mit den Freunden und der Partei, trat 1959 aus und gründete den Pan Africanist Congress (PAC). Bereits im Jahr 1952 hatte der ANC eine Widerstandskampagne begonnen, die sich gegen die Paßgesetze richtete. Tausende gingen freiwillig wegen Verstößen gegen diese Bestimmungen ins Gefängnis, vor allem Frauen, auf die zum ersten Mal diese Gesetze angewandt wurden. Selbst dieses Ereignis war inzwischen durch ein gewichtigeres überholt. Für den 21. März 1960 hatte der PAC einen Demonstrationstag gegen die Paßgesetze angesetzt. Dabei kam es in Sharpeville, einem Schwarzenwohnort im Transvaal, zu einer Polizeiaktion, bei der 69 Menschen umkamen; zum Teil wurden Frauen und Kinder hinterrücks erschossen und viele verletzt. Zum ersten Mal gingen Schlagzeilen über Apartheid durch die Welt. Der ANC und der PAC riefen zu einem Tag der Trauer auf. Die Regierung schien zuerst verwirrt; die Paßgesetze wurden für einige Tage aufgehoben. Doch dann schlug sie zu. Tausende von Anti–Apartheid–Aktivisten wurden inhaftiert, und vor allem PAC–Anhängern wurde der Prozeß gemacht. ANC und der PAC wurden verboten. Die Zeit des gewaltlosen Widerstandes von 1912 bis 1960 war beendet. Beide Parteien gingen in den Untergrund und ins Exil, sagten den bewaffneten Kampf an. Der ANC und der PAC wurden 1963 von der Organisation für die Einheit Afrikas (OAU) als Befreiungsbewegungen anerkannt und haben seit 1972 Beobachterstatus bei der UNO. aus: Ruth Weiss neuem Buch: „Wir sind alle Südafrikaner“, Hamburg 1986

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen