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P O R T R A I T Kunst und Engagement gegen Tschernobyl

■ Die nach den Tschernobylaktionen der Trust–Gruppe in der Psychiatrie gefangene sowjetische Malerin Nina Kowalenko ist seit Mittwoch im Westen

Von Günter Waldfrei

Berlin (taz) Als ich Nina Kowalenko im Dezember 1986 in Moskau das erste mal gesprochen habe, war sie gerade am Tag zuvor aus der psychiatrischen Klinik entlassen worden. Nina Kowalenko ist Malerin und Mitglied der Moskauer „Gruppe für Vertrauen zwischen Ost und West“ (im Westen häufig auch TRUST–Gruppe genannt). Wenige Jahre vor Beginn des II. Weltkrieges wurde Nina Kowalenko in einem kleinen Dorf in Sibirien geboren. Anfang der 60er Jahre zog sie nach Moskau in der Hoffnung, dort als Malerin arbeiten zu können, was sie aber erst ab 1979 verwirklichen konnte. Zwei Jahre arbeitete sie dann für verschiedene Verlage als freie Mitarbeiterin. Dies war aber mit einem Schlag beendet, als sie 1981 den Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft stellte. Begründung: als Mensch und Künstlerin sieht sie für sich keine Möglichkeit mehr, sich in diesem Staat verwirklichen zu können. 1985 hatte sie den ersten Kontakt mit der Moskauer „Gruppe für Vertrauen zwischen Ost und West“. Für die Trust– Gruppe machte sie 1985 Ausstellungen auf der Straße und vor U–Bahn–Stationen. Daß bei solchen Anlässen KGB–Beamte in Zivil mit den Schuhen ihre Bilder zu zerstören suchten, schmerzt sie besonders. Am 4.2. wurde sie nach einem Seminar der Gruppe vor der Wohnung der Familie Medwedkow derart zusammengeschlagen, daß sie mit einer Gehirnerschütterung in das Krankenhaus eingeliefert werden mußte. Sie war auch am 20.5.86 mit dabei, als die Trust– Gruppe an der U–Bahn–Station „Kulturpark“ Unterschriften gegen das sowjetische Atomenergieprogramm sammelte. Vom 19.2.86 - 26.3.86 und vom 25.9. - 12.12.86 war Nina zwangsweise in „Behandlung“ in der geschlossenen Abteilung der psychiatrischen Klinik. „Behandelt“ wurde sie dort mit Haloperidol, einem Psychopharmakum, das sie in Form von Spritzen erhielt, sowie mit Traphtasin. Aufgrund dieser „Behandlung“ litt sie unter so starken Magenschmerzen, daß sie nichts mehr essen konnte. Bei einer ärztlichen Untersuchung stellte sich schließlich heraus, daß sich Nina ein Magengeschwür zugezogen hatte. Im Vergleich zu anderen Personen, die wegen ihrer Überzeugung in der Psychiatrie waren, ging es Nina dort noch „relativ“ gut. So berichtet Nina Kowalenko davon, daß in der Männerabteilung Soldaten gelegen haben, die sich geweigert hatten, nach Afghanistan zu gehen. Diese Männer waren an ihren Betten angebunden. Anfangs ist Nina einfach hingegangen und hat sie losgebunden. Doch dann hat sie das bleiben lassen, nachdem ihr das Pflegepersonal angedroht hatte, sie würde hier nie wieder heraus kommen, wenn sie damit nicht sofort aufhört. Trotz dieser Erfahrungen legt Nina Wert darauf, daß sie keine Haßgefühle gegenüber den Krankenschwestern hat. Am 15.12.1986 wurde Nina Kowalenko mitgeteilt, daß sie Anfang Januar 87 aus der Staatsbürgerschaft der UdSSR entlassen wird, was zugleich bedeutet, daß sie ausreisen kann.

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