: Da strahlt der Milchbär
■ Angestiegene Radionuklidwerte der Rohmilch / Dosenmilchhersteller drosseln Produktion / Betriebsrat: Kein Abbau von Überkapazitäten
Aus Berlin Kuno Kruse
Kurzarbeit meldet jetzt der süddeutsche „Bärenmarke“ - Dosenmilchhersteller „Allgäuer Alpenmilch AG“ an. Ins Stocken brachte die Produktion das Gammaspektrometer. Bei den routinemäßigen lebensmittelrechtlich vorgeschriebenen Überwachungen, die seit dem Sommer um eine freiwillige Messung der Radionuklidbelastung der angelieferten Rohmilch ergänzt wurde, so Firmensprecher Ulrich Widmann, seien Belastungen bis zu 80 Becquerel Cäsiumaktivität festgestellt worden. Für die 350 Mitar beiter in den beiden Milchverarbeitungswerken in Weidingen/ Oberbayern und Dießenhofen im Allgäu bedeutet der Tschernobylniederschlag damit bis auf weiteres die 30 Stunden Woche. Am Freitag will der Betriebsrat zum Arbeitsamt gehen. „Murren hat es bei den Kollegen nicht gegeben,“ berichtet der Dießenhofener Belegschaftsvertreter. Und an der Nase würden sie bestimmt nicht herumgeführt. „Das ist kein Vorwand. Wir sehen doch die Meßergebnisse und von den Laborangestellten sitzt auch jemand im Betriebsrat.“ „Was will man machen,“ konstatiert er, „die Milch läßt sich nicht mehr verkaufen.“ Fortsetzung auf Seite 2 Das gilt vor allem für die Bundesländer, die nicht einfach den großzügigen Grenzwert von 300 Becquerel Gesamtaktivität von der Europäischen Gemeinschaft übernommen haben. „Wir müssen auch dort marktfähig bleiben,“ erklärt Ulrich Widmann, „wo andere Werte gelten“. Das aufs Image bedachte Unternehmen hatte bereits im November auf die bevorstehende Produktionsdrosselung hingewiesen. Die Bauern können das Silo– und Tennenfutter nur schwer mischen und stapeln Ernte auf Ernte. Da war vorauszusehen, wann man sich mit der Forke langsam bis zum stark verstrahlten ersten Schnitt, der kurze Zeit nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl gemäht wurde, vorgearbeitet haben und wieder verstärkt Radionuklide melken würde. Bei der Verdickung der Milch, nach dem Prinzip aus drei mach eins, potenzieren sich die Nuklide. Mit finanziellen Einbußen hat der Büchsenmilchkonzern kaum zu rechnen. In der Vergangenheit wurde ohne Überstunden auf Reserve produziert und die norddeutsche „Hauptkonkurrenz“ Libbys und Glücksklee gehören zum Imperium. „Die Belastung der gesamten Milch steigt seit ca. Anfang Dezember regional unterschiedlich langsam wieder an,“ mußte Jürgen Giegrich, Autor der „Heustudie“ des Heidelberger „Ifeu“–Instituts. Die Entscheidung des „Bärenmarkeherstellers“ hält der optimistische Wissenschaftler für einen Beweis dafür, „daß die Diskussionen in der letzten Zeit gefruchtet haben.“ Kuno Kruse
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