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Männer für den Ernstfall

■ Wer müßte bei einem GAU in der Bundesrepublik seinen Kopf hinhalten? / Werks- und Freiwillige Feuerwehren und der kerntechnische Hilfszug Karlsruhe als letzte Rettung

Berlin (taz) – In der Bundesrepublik liegen in den Schubladen der Landratsämter detaillierte Katastrophenschutzpläne, die den Einsatz nach einem „kerntechnischen Unfall“ bis hin zum Anbringen von Sicherheitsnadeln an den Zipfeln der Wolldecken, in welche die Strahlenopfer eingeschlagen sind, regeln. Kaum ein Wort findet sich dagegen zur Frage, wer im Ernstfall im „heißen“ Bereich eingesetzt wird und direkt im oder am Reaktor zu retten versucht, was noch zu retten ist. „Der Betreiber ist gemäß § 38 der Strahlenschutzverordnung verpflichtet, das zur Eindämmung und Beseitigung der durch Unfälle entstandenen Gefahren innerhalb des betrieblichen Bereichs erforderliche Personal und die erforderlichen Hilfsmittel vorzuhalten.“ So steht es lapidar im Katastrophenschutz-Sonderplan des Kreises Pinneberg, der ansonsten noch vermerkt, daß alle Einsatzkräfte vorab zur Einnahme von Jod-Tabletten verpflichtet und verseuchte Kräfte „unverzüglich aus dem Einsatz zu ziehen sind“. Außerdem solle über die erhaltene Strahlenbelastung der eingesetzten Kräfte im jeweiligen Zugtrupp genau Buch geführt werden.

Aber wer sind denn nun diese Einsatzkräfte? Zunächst sicherlich die Werksangehörigen des „verunglückten“ Atomkraftwerks. Zum einen die Werksfeuerwehr, dann die gerade arbeitende Schicht und schließlich die alarmierten Mitglieder des werksinternen Krisenstabs.

Alarmiert wird außerdem der in Karlsruhe ansässige sogenannte kerntechnische Hilfszug. Dieser Hilfszug hat eine Schlüsselrolle für das Katastrophen-Handling in der BRD. Er verfügt über einen Personal-Pool von 140 trainierten Spezialisten, die – je nach geographischer Lage des GAU- Reaktors – in spätestens zehn Stunden mit 13 Lkws und Spezialfahrzeugen vor Ort sein sollen. Dekontamination, Strahlenschutz-Messungen, Überwachung und Schutz des Einsatzpersonals sieht Wolfgang Neumann, der technische Leiter des Hilfszugs, als Hauptaufgaben im Ernstfall an. Für den Einsatz im heißen Bereich stehen ferngesteuerte Manipulatorfahrzeuge zur Verfügung, aber Neumann weiß auch, daß seine Leute notfalls auch selbst in die gefährlichen Strahlenbereiche eindringen müßten: „Sowas würden wir sicherlich mitmachen.“ Im selben Atemzug versichert er allerdings, daß er sich eine Situation wie in Tschernobyl „bei uns absolut nicht vorstellen“ könnte. Und wenn doch? „Das ist so nicht denkbar.“

Finanziert wird der kerntechnische Hilfszug von den Betreibern der Atomkraftwerke und Atomfabriken, die als Gesellschafter die Karlsruher Privatfirma tragen. Einen Ernstfall hatte der seit acht Jahren existierende Hilfszug bisher nicht zu verzeichnen.

Die Dritten im Bunde der Katastrophenschützer sind neben dem AKW-Werkspersonal und dem Hilfszug die Einsatzkräfte des betroffenen Landkreises: Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, Rotes Kreuz, Bundeswehr bis hin zu Hydrologen, Metereologen, Ärzten und Veterinären. Die Polizei verfügt inzwischen über spezielle Strahlenspürtrupps und auch die Feuerwehren sind mit Meßeinrichtungen und anderem Gerät auf den Ernstfall gedrillt. Nach offizieller Lesart sind die Einsatzkräfte des Kreises auf den Einsatz nur außerhalb des Betriebsgeländes des AKW vorgesehen, doch wenn Not am Mann ist, müßte, so Wolfgang Neumann vom kerntechnischen Hilfszug, auch innerhalb des Geländes eine „gegenseitige Hilfeleistung und Unterstützung“ gewährleistet sein.

Daß dies alles leztlich doch nur graue Theorie ist und im Ernstfall die Dienstvorschrift durch ein einfaches „Rette sich wer kann“ ersetzt wird, das werden all jene nicht glauben, die sich – vor allem in ländlichen Regionen – einmal ein Bild von Gehorsam, Dienstbeflissenheit und Intelligenz eines deutschen Feuerwehrmanns gemacht haben. Manfred Kriener

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