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Leben am Gefrierpunkt

Stuttgart (taz) - Neuer Kälterekord im Südwesten. Auf der Schwäbischen Alb wurden minus 32 Grad gemessen, in der Landeshauptstadt war es geringfügig „wärmer“, minus 25 Grad Celsius. Angesichts dieser Temperaturen zog in die seit dem vergangenen Sommer an verschiedenen Orten Baden–Württembergs eingerichteten Wohncontainer für Flüchtlinge in den letzten Tagen neben sozialer Unterkühlung auch noch klirrender Frost ein. Frost und Frust zogen durch die kaum isolierten Fußböden. Wasserleitungen in Küchen und Sanitärräumen waren geplatzt, Glatteis in Räumen und im Freien die Folge. In den zuerst erworbenen Containern, gebrauchte Billigmodelle aus der DDR, sanken die Temperaturen auf den Gefrierpunkt. Besser beheizbare Sammelunterkünfte waren zum Teil schon Anfang Dezember vergangenen Jahres zur Renovierung geschlossen worden. Schon damals argwöhnten Gemeinden, denen Asylbewerber zugewiesen wurden, eine gezielte Provokation durch das Stuttgarter Innenministerium. Wegen unzureichender Heizmöglichkeiten und teilweise kata strophaler sanitärer Einrichtungen hatten ebenfalls im vergangenen Jahr schon die Träger der Containerlager protestiert. Asylbewerber aus dem Iran weigerten sich, in die Container zu ziehen, und campierten stattdessen tagelang vor dem Stuttgarter und anderen Rathäusern im Freien. Jetzt platzte den Bewohnern eines der Containerlager in einem Stuttgarter Vorort, Asylbewerber aus Ghana und Bangladesh, erneut der Kragen. Wegen der unhaltbaren Zustände hatten sie sich am Wochenende beraten und waren protestierend ins Stuttgarter Rathaus gezogen. Plötzlich, nach ersten Presseberichten und einer Meldung der ARD scheint der Einbau neuer, größerer Heizkörper und ein Windfang, um den direkten Einzug des „kalten Boreas“ zu behindern, kein Problem mehr zu sein. Selbst bisherige Lieferschwierigkeiten der Installationsfirmen scheinen plötzlich behoben. Sobald Tauwetter einsetzt, so wurde den Stuttgarter Asylbewerbern von seiten der Stadt versichert, würde auch mit dem geplanten Bau von Fertighäusern und Holzbaracken begonnen. Heute soll auch der zusätzliche Einbau von Doppelfenstern in die DDR– Container fertiggestellt werden. Mit der Kälteisolierung, so der Sozialarbeiter eines der miserabelsten Containerlager, seien aber selbst dringendste Probleme noch lange nicht gelöst. Der hohe „Krankenstand“ in den Containerlagern sei weniger auf die klirrende Kälte als vielmehr die soziale Unterkühlung, die örtliche Isolation und den fehlenden Intimbereich wie auch auf mangelhafte Gemeinschafträume zurüchzuführen. Vor allem Asylbewerber aus Indien, so der Sozialarbeiter eines anderen Containerdorfs, hätten praktisch keine Chance, Asyl zu erhalten, und lägen fast nur noch resigniert und depressiv, mit über den Kopf gezogener Decke auf ihren Liegen. Daß es Asylbewerber und Sozialarbeiter in wenigen Containerlagern dennoch geschafft haben, das Leben dort ein wenig erträglicher zu gestalten, war wohl nur der Mithilfe örtlicher Freundeskreise zu verdanken. Sie waren es, die bei der Beschaffung von warmer Kleidung behilflich waren, Deutschunterricht organisierten und die Suche nach geeigneten Wohnungen unterstützten. Dietrich Willier

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