: Basras Einwohner fliehen vor iranischem Feuer
■ Südirakische Millionenstadt von ständigem iranischen Artilleriebeschuß betroffen / Leere Straßen und überfüllte Krankenhäuser / Tausende fliehen aufs Land oder nach Bagdad / Botschaften bereiten Evakuierungen vor
Basra (wps/taz) - Tausende fliehen täglich aus der südirakischen Stadt Basra, die seit dem Beginn der iranischen Offensive vor zehn Tagen intensivem Beschuß von dem gegnerischen Brückenkopf knapp zwanzig Kilometer entfernt ausgesetzt ist. Der ständige Artilleriebeschuß hat kein Stadtviertel ausgespart. Überall wurden Dächer und Wände beschädigt, Fensterscheiben gingen zu Bruch. Der Ge fechtslärm der Kämpfe in der sumpfigen, künstlich angelegten Enklave um den Fisch–See, wo iranische Truppen einen Stützpunkt errichten konnten, ist in der Stadt zu hören. Aber beide Seiten haben in einer Phase schnell eskalierter Kämpfe auch Wohngebiete im Nachbarland angegriffen. Bei einem Besuch Basras am vergangenen Donnerstag konnte man den ganzen Tag militärische und zivile Krankenwagen durch die fast menschenleeren Straßen rasen sehen. Die Krankenhäuser sind überfüllt. Vor dem größten Krankenhaus der Millionenstadt, drängen sich verschleierte Frauen und versuchen, einen Blick über die Mauer zu werfen und zu sehen, ob sich nicht Angehörige unter den Verletzten befinden. Die Einwohner haben ihre Häuser hinter Bergen von Sandsäcken verschanzt. Die Balkons sind ebenfalls mit allem vollgepackt, was eventuelle Geschosse abwehren kann. An Dutzenden von Häusern sind die Dächer weggerissen worden, an anderen wurden die Wände zerstört und man kann direkt in die Zimmer blicken. Die Straße am Shatt al Arab ist leergefegt. Nur Truppentransporte rattern hier entlang, um zu einer Ponton–Brücke zu gelangen, die die Schiffahrt blockiert. Die Ausfallstraßen der Stadt sind verstopft mit Autokolonnen, beladen mit persönlichem Eigentum. Auf einem Wagendach ist ein großes Bett festgebunden, bei einem anderen hängt der Kühlschrank halb zum Koffenraum hinaus. Korrespondentenberichten aus Bagdad zufolge fliehen Ausländer und auch Einheimische in die Hauptstadt, obwohl dies verboten ist. Doch ein Großteil der Flüchtlinge sucht in der ländlichen Umgebung in Richtung der kuwaitischen Grenze Sicherheit vor dem iranischen Feuer. Achtzehn Kilometer westlich von Basra hat sich das Dorf Zubair in ein chaotisches Flüchtlingslager und Hinterland der irakischen Armeeführung verwandelt. Kampfhubschrauber der Luftwaffe fliegen von einem Militärlager gleich neben dem Ort in östlicher Richtung über das staubige Gelände an die Front. Männer kauern um Rundfunkgeräte und hören sich die Kriegsberichte aus Bagdad an. Die irakische Hauptstadt wurde am Freitag zum vierten Mal seit Beginn der iranischen Offensive von einer gegnerischen Rakete getroffen. So wird der Krieg für die Bevölkerung der beiden größten Städte des Landes am eigenen Leib spürbar. Dies hat auch Auswirkungen, die der irakischen Führung nicht genehm sein können: Bereits seit einigen Monaten reduzieren ausländische Firmen ihr Personal oder bereiten ihren Rückzug vor. In zahlreichen Botschaften werden Evakuierungspläne erstellt. Der Irak gilt nicht länger als ein sicheres Land.
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