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P O R T R A I T „Lieber in den Knast als bezahlen“

■ Interview mit dem Aktivisten der Friedens– und Ökologiebewegung „Freiheit und Frieden“, Leszek Budrewicz, zum „Solidaritätsfonds für Opfer von Schnellgerichtsprozessen“ für zu Geldstrafen verurteilte Solidarnosc–Leute

Seit dem vorigen Wochenende müssen die Aktivisten von Solidarnosc nicht mehr um ihre Existenz bangen, wenn sie von der Polizei erwischt werden. Denn die vom Regime verhängten zum Teil recht happigen Geldstrafen - drei Monatsgehälter sind keine Seltenheit - werden nun „sozialisiert“. Der „Solidaritätsfonds für Opfer von Schnellgerichtsprozessen“ soll den Solidarnosc–Leuten wieder mehr Mut machen, Flugblätter zu verteilen und an nicht genehmigten Demonstrationen teilzunehmen. Nach Angaben der Oppositionsgruppe „Freiheit und Frieden“ sind seit Inkrafttreten des Gesetzes im Oktober letzten Jahres bis heute mindestens 500 Personen insgesamt, und Mitglieder der Gruppe allein zu zusammengenommen 1,5 Millionen Zloty verurteilt worden. taz: Erst am 10. Januar habt ihr in Wroclaw (Breslau) gegen die Umweltverschmutzung durch die Hütte „Siechnice“ demonstriert, die das Trinkwasser der Stadt gefährdet. Was passierte dann? Leszek: Schon vor langer Zeit hatten wir die Aktion gegen die Hütte angekündigt und konnten uns einig mit dem Stadtrat von Breslau sowie den örtlichen KP–Gremien fühlen. Denn auch sie treten für die sofortige Schließung der Hütte ein. Noch bevor es zur Demonstration kam, wurden etwa 30 meiner Freunde von einigen Hundertschaften Polizisten um ringt und dann bis zu 48 Stunden festgehalten. 25 Leute wurden dann zu 30.000 bis 50.000 Zloty Geldstrafe verurteilt. Einspruchsrecht hatten sie nicht. Wer das Geld nicht dabei hatte - und wer hatte das schon? -, der wurde von einem Gerichtsvollzieher heimgesucht, der die Wohnungen ausräumte. Findest Du aber dieses Vorgehen nicht humaner, als euch alle gleich in den Knast zu stekken? Beim alten Gesetz wußte man, wo es langging. Für illegale Aktionen gab es halt ein paar Tage oder drei Monate Haft, bei der Gerichtsverhandlung wurde der Schein des Rechts gewahrt, man konnte Widerspruch einlegen. Man galt als politischer Gefangener und hatte die Solidarität von vielen auf seiner Seite. Jetzt geht alles viel schneller, hast Du Pech, dann wirst Du gleich mehrmals zu horrenden Geldstrafen verdonnert. Das ist nicht nur ein finanzieller Ruin, wenn Du keinen Zloty mehr hast, dann mußt Du im Knast die Strafe mit Tagessätzen abstottern. Was wäre die wirkliche Reform im Demonstrationsstrafrecht? Daß es politischen Pluralismus erlaubt und daß Andersdenkende nicht strafrechtlich verfolgt werden. Nun, das ist Zukunfstmusik. Zur Zeit will General Jaruzelski keine vollen Knäste, das wirkt sich schlecht auf sein Image im Aus– und Inland aus, Geldstrafen sind da einfacher. Wir sagen, lieber politische Haft als demütigende Geldbußen, wir werden uns wehren und nicht bezahlen, denn nur so bekämpfen wir die Absicht hinter der Gesetzesnovelle: die Leute zu schröpfen und vielleicht doch in den Knast zu schicken. Das Gespräch führte Hans Hofwiler

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