: Theaterskandal in London
■ Ein provozierendes Theaterstück über die Kollaboration führender Zionisten mit den Nazis stößt auf heftige Vorauskritik
Aus London Rolf Paasch
Ein Theaterskandal, der die Ausmaße der Frankfurter Auseinandersetzungen um das Faßbinder– Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ anzunehmen scheint, hält derzeit das Londoner „Royal Court“ in Atem. In dem Stück „Perdition“ (Ewige Verdammnis) des Autors Jim Allen werden führende Zionisten beschuldigt, 1944 in Ungarn mit den Nazis kollaboriert zu haben. Hintergrund dieser Zusammenarbeit, so argumentiert Allen in dem Stück, sei die Hoffnung der Zionisten gewesen, mit dem Opfer ihrer Glaubensgenossen die Chancen für einen Staat Israel nach dem Krieg zu erhöhen. „Perdition“ ist die dramatisierte Fassung eines fiktiven Gerichtsprozesses im England der 60er Jahre, die in Teilen dem Kasztner–Prozeß nachempfunden ist, der 1955 in Israel für viel Aufregung sorgte. Rudolf Kasztner, ein führender ungarischer Zionist, war damals beschuldigt worden, in Ungarn mit SS–Obersturmführer Adolf Eichmann kollaboriert zu haben. Kurz nach seiner Entlastung wurde Kasztner Opfer eines Attentats. Bereits vor der für den 27. Januar angesetzten Uraufführung nannteder Historiker Martin Gilbert die zentralen Aussagen des Stückes nach Studium des Skripts eine „Travestie der Wahrheit“. „Wir waren auf heftige Kontroversen vorbereitet und ich bin mir bewußt, daß das Stück provoziert. Aber die Tiefe jüdischer Gefühle und die Stärke ihrer Lobby muß man erlebt haben, um sie zu verstehen“, so erklärte der künstlerische Leiter des „Royal Court“, Clark. Trotz der Kritik des Anti–Semitismus und eines zu nachlässigen Umgangs mit der Geschichte des Zionismus hält Jim Allen an seiner These fest, Zionismus und Nationalsozialismus beruhten auf der gleichen „Blut–und–Boden–Ideologie“. Für ihn ist „Perdition“ nur „ein kleiner Beitrag zur Rettung der Juden vor dem Zionismus“. Bei Redaktionsschluß wurde bekannt, daß die Aufführung des Stückes abgesagt ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen