: Maulkorb für Verbraucherzentrale
■ Die niedersächsische Landesregierung will die Aufklärung über Strahlenbelastung von Lebensmitteln unterbinden / Zuschüsse an Verbraucherzentrale sollen nur noch mit Auflagen gewährt werden
Aus Hannover Jürgen Voges
Die niedersächsische Landesregierung will der Verbraucherzentrale Niedersachsen (VZN) nur noch Zuschüsse gewähren, wenn diese bei ihrer Verbraucherberatung zu radioaktiv belasteten Lebensmitteln in Zukunft den Vorgaben der Landeregierung Folge leistet. Dies geht aus einem Schreiben des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums an die VZN vom 10. Januar hervor, das gestern Gegenstand einer dringlichen SPD–Anfrage im Landtag in Hannover war. Um die Verbraucherinformation auf dem Gebiet der Ernährung auf „objektive Aufklärung auszurichten“, heißt es in dem Brief, habe man „eine ergänzende Bestimmung in den Zuwendungsbescheid“ der VZN aufgenommen. Danach hat die VZN in Zukunft nicht nur die offiziellen Empfehlungen zur Strahlenbelastung von Lebensmitteln, in denen Grenzwerte in der Regel um ein mehrfaches höher als bisher von der VZN angesetzt werden, „in ihre Beratung einzubeziehen“. Wenn sie von den offiziellen Empfehlungen abweichende Verbraucherhinweise herausgeben will, soll sie dies außerdem den zu ständigen Ministerien „vorher mitteilen“ und mit diesen „den Stand der wissenschaftlichen Kenntnisse“ erörtern. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Hirche begründete den Vorstoß gegen die VZN vor dem Landtag mit „zahlreichen Beschwerdeschreiben von Nahrungsmittelproduzenten“, die in seinem Ministerium eingegangen seien. Das Wirtschaftsministerium hatte daraufhin festgestellt, daß „die VZN in nahezu allen Empfehlungen von denen der nie dersächsischen Landesregierung abweicht“. So hatte die Verbraucherzentrale, anders als das Landeswirtschaftsministerium, vor dem Verzehr von Beeren, Pilzen und Wildfleisch gewarnt. Der Anteil der Landeszuschüsse am Haushalt der VZN, einem von 60 Verbänden unterstützten Verein, beträgt nur knapp ein Drittel. Dennoch verlangt das Wirtschaftministerium nun, bei der Verbraucherberatung „die gleichen Grundsätze anzuwenden, die auch staatliche Stellen anzuwenden haben“. Vor dem Landtag sagte Hirche gar, er wolle dafür sorgen, „daß die Informationspolitik eines solchen Zuschußempfängers auf die landesseitig zur Verfügung gestellten Informationen ausgerichtet wird“. Die Verbraucherzentrale will diesen Bedingungen allerdings nicht Folge leisten. Dies machte VZN Geschäftsführerin Ilse Klinger schon vor der Vorstandssitzung deutlich. „Wenn wir das akzeptieren“, sagte sie „können wir uns gleich auflösen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen