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Das „Irangate“–Labyrinth

■ Zwei Monate nach Beginn der Iran–Contra–Affaire bleiben noch viele Fragen unbeantwortet / Entgegen Beteuerungen von Weinberger wußte das Pentagon schon seit Anfang 1984 über private Waffenlieferungen für eine Milliarde Dollar an Iran

Mehrere Wochen schon dümpelte die „Erria“ vor dem iranischen Hafen Bandar Abbas und wartete auf die Erlaubnis zur Einfahrt. Vergeblich - denn die Ladung des 55 Meter langen Kutters war keine übliche Handelsware. Vielmehr handelte es sich um Waffen, die die „Erria“ im israelischen Mittelmeerhafen Haifa aufgenommen hatte und in den Iran bringen sollte. „Bezahlen“ wollten die iranischen Geschäftspartner dafür mit einem vom Iraq eroberten hochmodernen sowjetischen T 72–Panzer. Das Geschäft scheiterte, weil die Hintermänner des Deals - hochrangige Beamte der US–Administration - plötzlich im November letzten Jahres in die Schlagzeilen der Weltpresse geraten waren, ein Umstand, welcher derlei Geschäften äußerst abträglich ist. In den Monaten davor war die „Erria“ häufiger für die amerikanischen Auftraggeber tätig gewesen. Das Schiff, das sich im Besitz eines dänischen Schiffsagenten befindet, transportierte 500 Tonnen Waffen von Polen nach Frankreich, von wo aus diese nach Mittelamerika gebracht wurden und in den Arsenalen der Contra endeten. Einmal schipperte die „Erria“ selbst nach Honduras, den Laderaum voller sowjetischer Gewehre und portugiesischer Munition. Und ein anderes Mal ankerte sie vor der Küste von Zypern, um einen Kurier aufzunehmen, der im Libanon für eine Million Dollar die Freiheit amerikanischer Geiseln erkaufen sollte. „Projekt Demokratie“ Die Geschichte der „Erria“ zeigt, daß die Bemühungen der Reagan–Administration, mit dem Iran ins Geschäft zu kommen, offenbar nicht auf die häufig beschriebenen Flugzeugladungen voller Waffen beschränkt waren. Wahrscheinlich war die „Erria“ noch häufiger unterwegs, als es Waffenhändler und andere beteiligte Mitwisser in Europa und den USA bisher zuzugeben bereit sind. Der dänische Kutter sei angeblich das Kernstück einer „Project Democracy“ getauften Operation gewesen, hinter der Oberstleutnant Oliver North gestanden habe. Die Spur nach Dänemark bringt darüber hinaus Meldungen aus dem November in Erinnerung, in denen Mitglieder der dänischen Seeleutegewerkschaft von umfangreichen Waffenlieferungen für den Iran mit dänischen Schiffen berichtet hatten. 60 Tage nach dem Bekanntwerden des mittlerweile „Irangate“ getauften Skandals bleibt Oliver North die bizarrste und geheimnisumwittertste Person auf der immer länger werdenden Liste von Akteuren. North weigert sich bisher auszusagen, und es ist fraglich, ob er es jemals tun wird. Möglicherweise werden die Untersuchungsausschüsse im Kongreß ihm doch noch Immunität zusichern müssen, um Licht ins Gestrüpp von Beziehungen zwischen mittelöstlichen Potentaten und Waffenhändlern sowie dem privaten Netzwerk von Contra–Unterstützern in den USA und Zentralamerika bringen zu können. Klar ist lediglich, daß die Fäden der Handlung in Norths Büro im Weißen Haus sowie in der Handelsfirma „Stanford Technologies“ des ehemaligen Pentagon–Unterstaatssekretärs und heutigen Waffenhändlers General Richard Secord zusammenlaufen. Secord hat sich bisher ebenfalls geweigert auszusagen. Nebulöse Millionen Nur ganz zu Beginn der Affaire hat North in einer Befragung durch Justizminister Meese auf Fragen geantwortet und einge räumt, daß ein Teil der Profite aus dem Waffenhandel mit dem Khomeini–Regime nach Zentralamerika geflossen seien. Bis heute ist völlig unklar, wie groß die Summe ist, die über ein Schweizer Bankkonto an die Contra weitergeleitet worden sein soll; das wohlgehütete Bankgeheimnis der Alpenrepublik macht den Ermittlern die Arbeit nicht leichter. Die Vermutungen schwanken zwischen fünf und mehr als dreißig Millionen Dollar. Ungeklärt ist außerdem, wofür das Geld ausgegeben wurde. Da Contra–Führer bisher bestreiten, derartige Summen erhalten zu haben, wurde vermutet, die Millionen aus dem Iran–Deal seien in die private Unterstützungsoperation geflossen, die die Contras in Nicaragua vom salvadorianischen Flughafen Ilopango aus versorgte. Einiges spricht für diese These, unter anderem, daß direkte persönliche Verbindungen und Telefongespräche zwischen den Akteuren der Ilopango– Luftbrücke und North sowie Secord festgestellt wurden. Diese Luftbrücke brach zusammen, als am 5. Oktober letzten Jahres eine C–123–Transportmaschine über Nicaragua abgeschossen und Eugene Hasenfus gefangengenommen wurde. Außerdem konnte inzwischen nachgewiesen werden, daß ein Mitarbeiter Secords an Waffentransporten größeren Umfangs von Lissabon nach Ilopango beteiligt war. Die portugiesische Regierung war über den Empfänger der Rüstungslieferungen getäuscht worden, die Begleitdokumente wiesen Guatemala als „Endverbraucher“ aus, doch ist aus Flugdokumenten des amerikanischen Handelsministeriums ersichtlich, daß die Transportmaschinen der „Southern Air Transport“ nicht nach Guatemala, sondern nach San Salvador geflogen sind. Falls es so gewesen ist - daß North und Secord die Profite aus dem Waffenverkauf an den Iran für jene Waffenpipeline verwendet haben, die unter anderem von Portugal über El Salvador nach Nicaragua führte, ohne jemals durch die Arsenale der Contra in Honduras geflossen zu sein - bleibt immer noch eine Reihe von Fragen über die Finanzquellen der Antisandinisten offen. Verschiede seit 1984 Waffen an die Contra geliefert, zum gleichen Zeitpunkt war Taiwan und Südkorea um Hilfe gebeten worden. Ob sie jemals geleistet wurde, ist nicht bekannt. Unterschiedliche Aussagen gibt es auch über eine angebliche 20 Millionen Dollar–Spende Saudi–Arabiens. Singapur wurde um die Lieferung spezieller Radiogeräte gebeten, habe aber diese nicht liefern können. Im letzten Sommer wurde dann der Sultan von Brunei um eine Spende von zehn Millionen Dollar auf ein Schweizer Bankkonto angegangen. Der Sultan zahlte, doch das Geld ist bis heute verschwunden. Die Kokain–Connection Seit zwei Jahren gibt es darüber hinaus Hinweise, daß die Contra in Costa Rica mit kolumbianischen Kokainschmugglern gemeinsame Geschäfte betreibt. Die Drogenschmuggler benutzen ursprünglich von der CIA angelegte Rollbahnen im Norden Costa Ricas zum Zwischenlanden und Auftanken, bezahlt wird für die freundliche Hilfe in bar oder mit Kokain. Jede Zwischenlandung lasse die Contra–Kasse um 10.000 bis 25.000 Dollar anschwellen. Ein ehemaliges Mitglied des Schmuggelrings, der in Florida inhaftiert ist, hat behauptet, die „gesamte Contra–Operation in Costa Rica“ werde ausschließlich mit Profiten aus dem Kokainschmuggel betrieben. Die US–Drogenbehörde DEA hat im vergangenen Herbst in San Salvador das Haus eines Beteiligten der Ilopango–Luftbrücke durchsucht und dabei Hinweise gefunden, daß in den Transportmaschinen auf dem Rückflug in die USA ebenfalls Drogen geschmuggelt werden. Ein Besatzungsmitglied der Luftbrücken– Operation hat daraufhin behauptet, unter dem Schutz des Weißen Hauses zu stehen und den Namen Oliver North genannt. Eine Untersuchung hat ergeben, daß dies höchstwahrscheinlich ein Bluff war und daß die Schmuggelaktivitäten auf private Initiative zurückgingen. Doch mittlerweile wurde bekannt, daß North Ende Oktober das FBI angewiesen hat, eine Untersuchung der privaten Chartergesellschaft „Southern Air Transport“ auszusetzen, da andernfalls die Bemühungen um die Befreiung der Geiseln im Libanon gefährdet würden. Kampfflugzeuge für die Ayatollahs Was bisher über die Menge der mit Wissen der Reagan–Administration an den Iran gelieferten Waffen bekannt ist, stellt möglicherweise nur die Spitze des Eisbergs dar. Die 2.008 TOW–Antipanzer– Raketen sowie die Teile für 500 HAWK–Boden–Luftraketen im Gesamtwert von höchstens 40 Millionen US–Dollar sind unbedeutend im Vergleich zu einem Waffen–Deal, über den die New York Times am Montag berichte 1985, möglicherweise aber schon Anfang 1984, von den Verhandlungen in Kenntnis gesetzt, ohne deren Fortgang zu stören. Das Pentagon erhoffte sich nachrichtendienstliche Erkenntnisse über den Iran sowie den Zugriff auf einen hochmodernen sowjetischen Panzer, den die Iraner vom Irak erobert hatten. Seit dem Bekanntwerden der „Irangate“–Affaire ist mehrmals über private Waffenverkäufe aus den USA an den Iran berichtet worden, die einen wesentlich größeren Umfang hatten als die von Oliver North und dem Nationalen Sicherheitsrat organisierten Rüstungslieferungen an das Khomeini–Regime. In New York etwa wird gegenwärtig der Prozeß gegen 17 Personen vorbereitet, die gemeinsam einen Zwei–Milliarden–Dollar–Deal vorbereitet haben. Die Zollbehörden hatten die Gruppe unterwandert und später auffliegen lassen. Das jetzt aufgedeckte „Projekt Demavand“ ist jedoch unabhängig davon, es geht auch länger zurück. Zu Beginn lautete die Lieferliste des „Projekt Demavand“ auf die 39 F–4–Flugzeuge, außerdem auf 50 Panzer vom Typ M–48, 25 Kampfhubschrauber und verschiedene Raketentypen. Es ist nicht klar, ob die F–4–Flugzeuge tatsächlich geliefert wurden, erhalten hat der Iran nach Angaben von beteiligten Waffenhändlern aber 12.000 Anti–Panzer–Raketen, andere militärische Ersatzteile im Wert von 150 Millionen US–Dollar sowie 200 hochmoderne Phoenix–Luft–Luft–Raketen zu einem Stückpreis von einer Million Dollar - der Gesamtumfang des Handels lag also zwische über Ägypten und die Türkei, finanziert wurde es mittels eines Netzes europäischer Banken. Der Hauptzeuge der New York Times ist ein Geschäftsmann aus dem US–Bundesstaat Oregon namens Richard J.Brenneke, der zwischen 1966 und 1979 für die CIA tätig war und dessen Aufgaben sich im Laufe der Recherche als zutreffend erwiesen haben. Bei den Waffenhändlern handle es sich um die Franzosen Bernard Veillot und Claude Lang und die beiden US–Bürger Paul Cutter und Michael Austin.

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