: Dramaturgie eines Konflikts
■ Seit fast vier Monaten werden drei Palästinenserlager im Libanon ausgehungert und zerbombt / Politische Interventionen der arabischen Länder bislang ohne Ergebnis
Ende September 1986 wurde in den nicht unter direkter syrischer Kontrolle stehenden palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon Alarm gegeben. Das älteste und südlichste aller Camps, Rashediyeh, nur 18 km von Israels Nordgrenze entfernt, war erneut unter den Artillerie–Beschuß der libanesischen Schiitenbewegung Amal geraten, ein bis heute nur einmal unterbrochener Belagerungsring wurde geschlossen. Die rund 18.000 Bewohner Rashedyehs erleben heute den 129. Tag der Blockade. Sämtliche Versuche, den „Lagerkrieg“ auf politischem Wege zu beenden, sind bis heute gescheitert. Die von Syrien politisch, militärisch und finanziell unterstützte Schiitenbewegung Amal wirft der PLO vor, sie wolle sich im Libanon wieder verankern - wie vor der israelischen Invasion von 1982. Eine ägyptische Zeitschrift berichtete in der vergangenen Woche von einer geheimen Absprache zwischen Israel und Syrien, die PLO gänzlich aus dem Libanon zu vertreiben. Die Palästinenser bestehen auf ihrer politischen Selbstbestimmung und dem Recht, ihre Zivilbevölkerung in dem waffenstarrenden Kleinstaat zu verteidigen. In einer überraschenden Entlastungsoffensive nahmen palästinensische Feddayin Ende Oktober einen militär–strategisch wichtigen Ort im Süden Libanons ein und benutzten die Eroberung Maghdouchehs als Faustpfand in den anhaltenden politischen Verhandlungen. Die Schiitenbewegung Amal mobilisierte auch in Westbeirut gegen die beiden Lager Bourj–el–Brajneh (20.000 Einwohner) und Chatila (4.000 Einwohner). Beide Camps sind seit Ende November von jeder Versorgung von außen abgeschnitten und werden fast ohne Unterlaß bombardiert. In der vergangenen Woche beschloß PLO–Chef Arafat, den Ort Maghdoucheh zu räumen. Von Amal wurde dieser Rückzug als taktisches Manöver denunziert. Weder die militärischen Aktionen gegen die Palästinenserlager noch die Lebensmittel– und Medikamentenblockaden fanden ein Ende. Nicht nur eine iranisch–libysche Verhandlungsinitiative scheiterte, ein von der Arabischen Liga eingerichtetes Dringlichkeitskomitee konnte weder den Chef der Amal, Nabih Berri, noch dessen syrischen Hintermann, den Präsidenten Hafez Assad, zum Einlenken bewegen. Saudi–Arabien versucht nach wie vor, mit einer geballten Ladung Petro– Dollars zu intervenieren, sogar das Europa–Parlament konnte von den Palästinensern mobilisiert werden. Während weitestgehend hinter geschlossenen Türen eine Versöhnung zwischen den beiden Erzfeinden, dem syrischen Präsidenten Assad und dem Vorsitzenden der Palästinensischen Befreiungsorganisation Arafat, vorbereitet werden soll, droht der „Lagerkrieg“ sich auszubreiten. Aus dem Libanon wird über zunehmende Kluften innerhalb der schiitischen Bevölkerungsgruppe berichtet, vor allem die Sunniten des libanesischen Mittelstandes, traditionell mit den Palästinensern verbündet, seien die Herrschaft der Schiiten in den moslemischen Landesteilen müde.
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