piwik no script img

Parteienstreit um AIDS

Um die Frage der AIDS–Bekämpfung ist am Montag ein erbitterter Streit innerhalb der christlichen Union entbrannt. „Gewisse Vorstellungen von Frau Süssmuth“, wetterte vor dem Hintergrund der laufenden Koalitionsverhandlungen der bayerische CSU–Vorsitzende Franz Josef Strauß gegen die Bundesgesundheitsministerin Prof. Dr. phil. Rita Süssmuth, „sind für uns unannehmbar.“ Auch Kanzler Kohl, so Strauß, teile nicht die Auffassungen der Ministerin. Als „eine Übertreibung der Grundrechte“ bezeichnete der Waffenfreund aus Bayern vor allem, „daß ein AIDS–Infizierter in die Bundeswehr einziehen darf“. Hier empfahl der ehemalige Verteidigungsminister, „von allen Möglichkeiten der Wehrdienstverweigerung Gebrauch zu machen“. Souffleur des bayerischen Ministerpräsidenten ist der Staatssekretär im Landesinnenministeriums, der Jurist Dr. Peter Gauweiler, der „einheitliche Vorgaben“ bei der Durchführung des Bundesseuchengesetzes forderte. Der Hardliner hat den bayerischen Sozialminister Hillermeyer, der sich bisher gegen eine Meldepflicht aussprach, offensichtlich nicht nur in der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit zurückgedrängt. Gauweiler erklärte die Aufklärungskampagne der Bundesgesundheitsministerin von ihrem Beginn an „als gescheitert“. Für ihn müsse die „stupide Ablehnung der Meldepflicht“ neu überdacht werden. Im Bonner Bundesgesundheitsministerium pariert man die Attacken aus Bayern weiterhin gelassen. „Wir haben jetzt ein Bundesland auf Gegenkurs“, fühlt sich der Staatssekretär Prof. Dr. med. Manfred Steinbach in der „Einbettung, wir und 10 Länder“ noch ganz wohl. Für Steinbach bleibt die Meldepflichtforderung kontraproduktiv und er zitiert aus Briefen an sein Haus. „Wenn Ihr mit der harmlosesten Form der Meldepflicht anfangt, weiß ich doch, was danach kommt“, lehnt ein Briefschreiber bereits jetzt einen HIV–Test ab. In europäischen Nachbarländern, so Steinbach, verstünde man die Debatte um die Meldepflicht, wie sie in der Bundesrepublik geführt würde, nicht so recht. „Aber die haben auch nicht miterlebt, was mit gesammelten Medizinaldaten alles passieren kann“, erinnert er an die Erfahrungen des Dritten Reiches. Steinbach ist mit der auch ohne Meldepflicht vorhandenen Statistik über die Ausbreitung der Infektion nicht unzufrieden. „Die stimmt im Trend mit denen der europäischen Nachbarn, die eine Meldepflicht haben, überein. Natürlich, zögert der Beamte, „wissen die Götter, was so eine Koalitionsverhandlung bringt“. Und auch wenn sich mit jeder Neuerkrankung der durch die CSU– Kampagne erzeugte Druck auf die Ministerin, die sich in den vergangenen Wochen kompetent der öffentlichen Diskussion gestellt hat, erhöhen wird, ist er in einem zuversichtlich: „Wir haben den Eindruck, Frau Süssmuth wird uns erhalten bleiben.“ Kuno Kruse

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen