: Die Wünschelrute im Griff der Wissenschaft
■ Das Forschungsministerium finanziert ein Projekt zur Erforschung von Erdstrahlungsmessungen durch Rutengänger / Angst vor der Schädigung des wissenschaftlichen Rufs / Mittel aus dem Budget für Krebsbekämpfung
Von Imma Harms
Berlin (taz) - Wenn sich die herrschende „harte“ Wissenschaft einem bisher geleugneten oder als „Humbug“ verfemten Phänomen zuwendet, dann ist das ein untrügliches Zeichen dafür, daß sie mit ihren herkömmlichen Methoden bei einem drängenden Problem nicht weiterkommt. Zudem ist die Popularität gewisser Phänomene offensichtlich so groß geworden, daß sie sie nicht mehr ignorieren kann. Dieser Zeitpunkt ist für den Nachweis von Erdstrahlung durch Pendel oder Wünschelruten offensichtlich erreicht. Aus dem Budget für „unkonventionelle Heilmethoden zur Krebsbekämpfung“ hat das Forschungsministerium jetzt 400.000 DM an das Münchner Institut für Pharmazeutische Biologie vergeben, das in einem zweijährigen Vorhaben die Nachweisbarkeit von Erdstrahlen durch Wünschelrutengänger wissenschaftlich objektivieren will. „Wir wollen auch abseitige Wege nicht außer acht lassen“, begründte Irene Rühe, Sprecherin im Forschungsministerium, die Entscheidung. Intendiert ist aber gleichzeitig, die Vermarktung „pseudowissenschaftlicher Erklärungen bis hin zum Okkultismus sowie Scharlatanerie“ zu verhindern, wie es in der Pressemitteilung des Ministeriums heißt. Diese Befürchtung teilt auch die Münchner Forschergruppe, die als ein Ziel ihrer Arbeit die „Abtrennung von Mißbrauch, Scharlatanerie und Geldschneiderei“ erklärt, ohne freilich zu definieren, wo die Scharlatanerie für sie anfängt. Doch das ist nicht die einzige Sorge der Wissenschaft ler. Sie sehen die Möglichkeit einer „Schädigung des wissenschaftlichen Rufs“, wenn sie sich mit derlei obskuren Kreisen einlassen. Deshalb wollen sie streng wissenschaftlich vorgehen und eine „Berührung mit unkonventionellen Verfahrensweisen auf ein Minimum reduzieren“. In der Praxis bedeutet das, daß die geplanten Versuche über natürliche, durch unterirdische Wasserströme verursachten oder künstlich angelegten Erdstrahlungs– Felder zwar mit traditionellen Wünschelrutengängern durchgeführt werden, deren subjektiven Wahrnehmungen aber grundsätzlich mißtraut wird. Protokolliert wird nur, was objektiv meßbar ist oder was die protokollierende Person am Rutengänger registriert. Das Mißtrauen geht so weit, daß schon eine Liste von „Erklärungen und Ausreden“, die die Rutengänger bei Mißlingen bereithalten, im Projektantrag vorweggenommen wird. Ein Kontakt unter ihnen wird streng vermieden, ebenso eine Informationsweitergabe zwischen Protokollant und Testperson. Auch in dem, was da eigentlich erforscht werden soll, bestehen erhebliche Differenzen zwischen Rutengängern und Forschern. Die meisten der in unterschiedlichen Zirkeln organisierten Rutengänger (die Münchner Gruppe schätzt ihre Zahl in der Bundesrepublik auf 10.000) sind der Meinung, mit ihrer körperlichen Reaktion Strahlungsfelder aufzuspüren, die von unterschiedlichen Elementen ausgehen. Wasser–, Metall oder Erdbruchstrahlungen verbinden sich mit Blitz– oder Mondenergien zu globalen Gitternetzen. Zu subjektiven Reaktionen führen auch Kraftfelder, auf die oftmals an alten Kultstätten durch Symbole hingewiesen wird. „Die Alten wußten das alles“, sagt Karl Sauerland, der mit seiner Wünschelrute alte Bauwerke durchstreift. Er arbeitet nach der sogenannten Schneiderschen Grifftechnik. Auf seiner etwa einen halben Meter großen Plastik–Rute sind verschiedene Grifflängen für die unterschiedlichen vermuteten Elemente eingezeichnet. Hat er etwa die Vermutung, es mit Strahlungsenergie von Silber zu tun zu haben, so faßt er die Rute an der entsprechenden Länge. Schlägt sie dann aus, kann Sauerland anschließend auch qualitative Aussagen über die Art der Strahlung machen. Das hält Prof. Hans–Dieter Betz von dem Münchner Wissenschaftlerteam für Unsinn. „Das unterirdische Wasser beeinflußt mit seiner Leitfähigkeit die bekannten existierenden Felder, das statische Magnetfeld der Erde und elektromagnetische Felder, alles andere ist Humbug“, konstatiert er. Für ebenso ausgemachten Blödsinn hält Betz die „Entstörung“ einer besonders unfallträchtigen Autobahnstelle in Niedersachsen, die im vergangenen Herbst auf Anweisung eines Wünschelrutengängers und mit amtlichem Placet vorgenommen worden war. Trotz dieser an Kränkung grenzenden Skepsis der erklärten Wissenschaftler gegenüber den „mentalen“ Ruten–Kundigen erfreut sich das Forschungsvorhaben durchaus der Unterstützung dieser Kreise. Zu dem Eberbacher Fachverein der Wünschelrutengänger und ihrem Vorsitzenden, Dr. Hartmann, bestehen beste Kontakte. Die Gruppe wird auch einen Teil der Versuchspersonen stellen. „Die ernsthaften Leute in diesen Gruppen sind ganz froh, wenn es einen objektiven Nachweis gibt“, begründet das Hans– Dieter Betz. Sauerland bestätigt diese Einschätzung, freilich mit etwas anderem Zungenschlag: „Die streng Wissenschaftlichen sollen sich ruhig mal die Zähne an dem Phänomen ausbeißen!“
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