Pop Art

..Pop Art, so wie wir sie kennen, das ständige Theater für diese Spannung: Zum einen taucht darin die traditionelle Volkskultur wie eine revolutionäre Kraft auf, die die Autorität der Kunst in Frage stellt. Zum anderen ist die Kunst darin gegenwärtig wie eine sehr alte Kraft, die unwiderstehlich in die Ökonomie der Gesellschaften zurückkehrt. Wie in einer Fuge gibt es zwei Stimmen, von denen die eine sagt: „Das ist keine Kunst“, während die andere sagt: „Ich bin Kunst.“ Die Pop Art kehrt die Werte um. Zum Beispiel war die Fotografie lange Zeit von der Malerei fasziniert, als deren arme Verwandte sie heute noch gilt. Die Pop Art überrennt das Vorurteil: Die Fotografie ist oft das Original der gemalten Bilder. Pop Art tritt an die Stelle einer Maschine, sagt man. Sie läßt den Star (Marylin, Liz, Elvis) in seinem Starimage erstarren: ohne Seele, nur ein imaginäres Statut, denn das Wesen des Stars ist die Ikone. Pop Art will das Objekt entsymbolisieren, will ihm die Mattheit und stumpfe Beharrlichkeit eines Faktums verleihen. Das Objekt der Pop Art stellt sich als abgeschnitten von Hintergründen und Umfeld dar, genauso wie der Künstler selbst. Nun ist der Fakt in der Massenkultur kein Bestandteil der natürlichen Welt mehr. Er ist das Stereotyp, das als Fakt erscheint: das, was jedermann sieht und konsumiert. Die Pop Art findet die Einheit ihrer Darstellungen in der radikalen Verbindung dieser beiden Formen: dem Stereotyp und dem Bild. Dadurch, daß es zum Bild wird, wird das Ding in seiner Bedeutung als Symbol entkleidet. Die Pop Art inszeniert damit eine philosophische Qualität der Dinge, die man die Faktizität nennt. Das Faktische ist die Eigenschaft dessen, was als Fakt existiert und als von jeder Rechtfertigung entblößt erscheint. Pop ist eine Kunst, weil sie in dem Moment, in dem sie auf jeglichen Sinn zu verzichten scheint und die Dinge lediglich in ihrer Plattheit wiederzugeben bereit ist, gleichzeitig mit ihr eigenen Verfahrensweisen ein Objekt inszeniert, das weder das Ding noch sein Sinn ist, sondern: seine Bedeutung, oder besser: die Bedeutung. Sehen Sie sich an, wie Warhol mit seinen Wiederholungen verfährt, die zunächst als Verfahren zur Zerstörung der Kunst gedacht waren: Er wiederholt das Bild, um den Eindruck zu erzeugen, daß das Bild vor dem Objektiv oder dem Blick zittert. Und wenn es zittert, so wohl deswegen, weil es sich sucht. Es sucht seine Substanz, es versucht, seine Substanz vor Ihnen auszubreiten. Das heißt, das Zittern des Dings wirkt wie eine Pose: War die Pose früher, vor der Staffelei des Malers oder dem Apparat des Fotografen, denn nicht die Bestätigung für die Substanz eines Individuums? Marylin, Liz, Elvis werden nicht durch Zufälligkeiten wiedergegeben, sondern durch ihre ewige Identität. Roland Barthes Aus: „Le Texte et LImage“, Paris 1986