NATO–General Rogers muß abtreten

■ Nachfolger wird General Galvin, bislang Oberkommandierender der US–Truppen in Mittel– und Lateinamerika / Differenzen mit der Reagan–Administration über Umgang mit Europäern sind vermutlich Grund für Ablösung / NATO: Wechsel seit langem erwartet

Berlin (wps/taz) - Der NATO– Oberbefehlshaber und Oberkommandierende der US–Streitkräfte in Europa, General Rogers, wird Ende Juni auf Anforderung Präsident Reagans von seinen Posten zurücktreten. Sein Nachfolger soll der Oberkommandierende der US–Truppen in Mittel– und Lateinamerika, General Galvin, werden. Der Beschluß der US– Regierung, den eifrigen Verfechter der Stationierung der Mittelstreckenraketen und der Einführung der neuen Rüstungsstrategien Air– Land–Battle in seinem Amt nicht mehr zu bestätigen, ist am Dienstag vom NATO–Ausschuß für Verteidigungsplanung bestätigt worden. Der amerikanische Präsident hat ein Vorschlagsrecht, weil der Befehlshaber der US– Streitkräfte zugleich NATO– Oberkommandierender ist. Rogers wurde gegen seinen eigenen und den Wunsch der europäischen Verbündeten von diesem wichtigsten Amt in der NATO– Hierarchie abberufen. Er hatte ihn im Juni 1979 von General Haig übernommen. Der in NATO– Kreisen für seine Kritikfreudigkeit bekannte Offizier war zuletzt nach Reykjavik durch seine herben Einwände gegen Reagans angebliche Bereitschaft aufgefallen, alle Atomwaffen abbauen zu wollen. Er ist ein erbitterter Gegner der sogenannten „Null–Lösung“, die den Abzug aller Mittelstreckenraketen aus Europa vorsieht. Der streitbare Offizier nutzte jede Gelegenheit, seine These von der konventionellen Unterlegenheit der NATO–Truppen gegenüber dem Warschauer Pakt darzustellen. Daraus ergab sich für ihn zwangsläufig sowohl die strategische Bedeutung der Atomraketen als auch der Vorwurf an die europäischen Verbündeten, zu wenig Anstrengungen im Bereich der konventionellen Rüstung zu unternehmen. Seinen Spitznamen „Mister Four Percent“ erhielt Rogers, weil er die Regierungsverantwortlichen ständig dazu aufforderte, die NATO–Vorgabe eines vierprozentigen realen Wachs tums der Rüstungsausgaben zu verwirklichen. Gutinformierte Kreise in Washington interpretieren die Entscheidung Reagans nicht als Reaktion auf die Meinungsunterschiede. Ein Mitarbeiter im NATO–Hauptquartier in Brüssel erklärte jedoch, daß ein Wechsel schon seit längerer Zeit erwartet worden war, da jedem US–Amerikaner, der einige Zeit mit Europäern zusammenarbeitet, in den USA das Stigma anhaftet, pro–europäisch zu sein. Die europäischen Verbündeten - so die offizielle NATO–Mitteilung - haben Reagans Entscheidung mit „großem Bedauern akzeptiert und ihre tiefe und dauerhafte Dankbarkeit für des Generals herausragende Dienste“ bekundet. mf