Vorschläge moslemischer Minister

■ Katalog zur Vorbereitung politischer Reformen im Libanon sieht Einschränkungen der Präsidentenmacht vor Festschreibung „spezieller Beziehungen“ zwischen Syrien und Libanon stößt auf Widerstand der Christen

Aus Beirut Petra Groll

Während auch am Mittwoch Einheiten der libanesischen und syrischen Armee ihren Einflußbereich im Westteil von Beirut ausdehnten, liefen auf politischer Ebene etliche Gesprächsrunden, um Übereinkunft zwischen den traditionellen Bürgerkriegsparteien des Landes herzustellen. Nach mehr als einwöchigen Verhandlungen in der syrischen Hauptstadt Damaskus hatten sich Ende vergangener Woche die fünf oppositionellen moslemischen Minister auf einen Katalog von Vorschlägen geeinigt, der seit Dienstag dem maronitischen Präsidenten Gemayel vorliegt. Erste Reaktionen aus dem christlichen Lager lassen nicht erkennen, daß dieser Vorschlagskatalog widerspruchlos angenommen wird. Dennoch sollen am heutigen Donnerstag die seit dem 11.2.87 unterbrochenen Verhandlungen um ein Gipfeltreffen zwischen den Präsidenten Gemayel und Assad wieder aufgenommen werden. Politische und militärische Berater Präsident Gemayels reisen heute unter der Leitung des Außenministers Dr. Elie Salem in die syrische Hauptstadt, um über den Vorschlagskatalog der Oppo sitionsminister zu verhandeln. Der Vorschlagskatalog, allerseits vorsichtig als „Vorbereitung politischer Reformen“ bezeichnet, sieht im wesentlichen die Einschränkung der Macht des libanesischen Staatspräsidenten vor, der entsprechend der umstrittenen Verfassung aus dem Jahr 1943 aus dem christlich–maronitischen Lager kommt. So soll zukünftig nicht mehr der Präsident den Regierungschef (laut Verfassung aus dem sunnitischen Lager) ernennen, im Kabinett sollen Mehrheits– statt einstimmiger Entscheidungen gelten, das Mandat des Präsidenten der Nationalversammlung (laut Verfassung Angehöriger der schiitischen Bevölkerungsgruppe) soll von einem auf vier Jahre verlängert werden. Mit all diesen Vorschlägen sind die heikelsten Widersprüche zwischen den verfeindeten Lagern aber noch nicht berührt. Weder die Rolle der libanesischen Armee, noch die Frage nach der Proporzbesetzung der Nationalversammlung sind erwähnt worden. Die moslemischen Parteien und Gruppierungen verlangen in beiden Punkten mehr Berücksichtigung ihrer Interessen. Ihrer Meinung nach kann die 44 Jahre alte Verfassung des Libanon keine Gültigkeit mehr besitzen, da sie von Bevölkerungsverhältnissen des Landes ausgeht, die längst nicht mehr den tatsächlichen Mehrheitsverhältnissen zwischen Christen und Moslems entsprechen. Als besonders umstritten gilt auch die von den Oppositions– Politikern befürwortete Festschreibung „spezieller Beziehungen“ zwischen Syrien und Libanon in einer neu zu bestimmenden Verfassung. Nach dem Altpräsidenten, dem derzeitigen Finanzminister und Chef der national–liberalen Partei, Camille Chamaoun, hat sich am Dienstag abend auch der Chef der „Forces Libanaises“, der Einheitsmiliz der christlichen Phalange Partei, Dr. Samir Geagea, kritisch zu den jüngsten Vorschlägen der Opposition geäußert. Geagea erklärte, er sei mit einem „Interims–Abkommen“ einverstanden, das die Sicherheit des Landes gewährleistet und eine Stabilisierung der katastrophalen nationalen Ökonomie verspreche. Zu wirklichen politischen Reformen aber könne es im Libanon solange nicht kommen, wie das Land von „fremden Armeen“ besetzt gehalten werde.