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Pankow und andere fremde Orte

■ Drei Autorinnen aus der DDR beschreiben das real–sozialistische Geschlechterverhältnis

In welcher Frauengruppe wurden sie nicht gelesen und diskutiert: Maxie Wanders Protokolle von Frauen in der DDR. Und wie häufig wurde verglichen und mit Erstaunen festgestellt, daß die Unterschiede so groß nicht sind. Erstaunt hat aber auch das starke Selbstbewußtsein der Frauen in der DDR. Maxie Wander hatte ein ähnliches Projekt mit Männern geplant und mit den Arbeiten begonnen, Krankheit und Tod beendeten jäh die Vorbereitungen. Sie schrieb über Schwierigkeiten, stellte fest, daß Männer sich ihr gegenüber nicht ehrlich äußerten, überlegte, ob lieber ein Mann die Gespräche führen sollte. Jetzt hat die junge Schriftstellerin Christine Müller sich an dieses Unterfangen gewagt mit, wie ich finde, interessantem und lesenswertem Ergebnis. Sehr verschieden sind die portraitierten Männer, zwischen 16 und 63 Jahre alt, vom Schüler über den Raumpfleger bis zum Dozenten für Pathologie, verheiratet, geschieden, allein oder mit einem Mann zusammen lebend. Und genauso breit ist die Skala der Ansichten, wobei mich nicht so sehr die bemüht emanzipierten oder kameradschaftlichen Männer interessiert haben, erstaunt und verblüfft war ich vielmehr von denen, die ganz offen ihren Standpunkt als Herrschende vertreten. Für sie ist es gleichgültig, ob die Frau ein eigenes Einkommen und eine eigene Erfahrungswelt in ihrer Arbeit besitzt, unbeirrt werten sie mit zweierlei Maß. Daß er zum Fußball geht ist klar und für ihn wichtig, vor al lem wegen der Bierchen mit den Kumpels hinterher - wenn die Ehefrau aber Basketball spielen will, fühlt er sich zurückgesetzt und ist empört. In mehreren Gesprächsaufzeichnungen wird der Materialismus deutlich, der das Leben bis in die eheliche Beziehung hinein bestimmt. Nicht die Liebe ist wichtig, dafür gibt mann das mühsam Geschaffene - Neubauwohnung und Datsche - doch nicht auf. Wo ist der sozialistische Mann? Selbst unter der jüngeren Genera tion sind die strammen Patriarchen vertreten, so daß frau sich fragt, was die juristische Gleichberechtigung und die (weitgehende) Emanzipation der Frau im Berufsleben im Denken der Menschen verändert hat. Näht sie oder näht sie nicht? Charlotte Worgitzky führt in ihren Erzählungen „Vieräugig oder blind“ den sozialistischen Mann in einer weiteren Variante vor, doch vielmehr Hoffnung zeigt auch die ses Resumee nicht. Bem ist Schriftsteller, lieb, nett und rührend hilflos, so daß seine Freundin Quäze, die Titelheldin der längsten (und schönsten) Geschichte dieses Bandes, nicht umhin kann, ihren praktischen Sinn für beide zu nutzen. Wenn es ihn nicht interessiert wie die Wohnung aussieht, sie aber in ungemütlichen Räumen nicht arbeiten kann - auch sie schreibt -, muß sie also für die Renovierung sorgen. Selbst der abgerissene Knopf an seinem Hemd wird zum Prüfstein ihrer Willensstärke; nein, sie näht ihn nicht an, ärgert sich aber darüber, daß sie so etwas überhaupt in Erwägung zieht. Als schließlich die Kinderfrage ins Spiel kommt, flieht Quäze vor der Liebe, da ihr klar ist, daß sie als Mutter auch nicht annähernd gleiche Chance hätte wie der Mann. Am Ende dieser satirischen Geschichte ist doch der Mann der Schriftsteller und die Frau die Gattin des Schriftstellers, die auch schreibt. In einer anderen Geschichte des Bandes beginnen beide als Lehrer studenten, die Frau kann ihr Arbeitspensum aber nur dadurch erfolgreich absolvieren, daß sie einen Kontrakt mit einem Engel abschließt, der ihr erlaubt, immer wach zu sein und somit täglich acht Stunden mehr zur Verfügung, haben. Aber dieser Vorteil, der der Bequemlichkeit der gesamten Familie dient, erweist sich als Bumerang: Wird doch dem Gatten der Erfolg seiner Frau unheimlich; ihre Arbeit soll sie leisten, doch die Karriere muß sie mit dem Preis bezahlen, in seinen Augen nicht mehr attraktiv zu sein. Noch von einer dritten Autorin aus der DDR, Monika Maron, ist kürzlich ein Buch in der Bundesrepublik erschienen. Seit der Ablehnung ihres ersten, im Verlagsauftrag 1980 geschriebenen Manuskripts „Flugasche“, erschien nichts von ihr in der DDR, ihre Erzählungen wurden abgelehnt, ein Theaterstück von ihr in Wuppertal uraufgeführt. Sie ist eine „persona non grata“, die offiziell nicht bekannt ist, da sie von keinem Verlag vertreten wird. Trotzdem: Monika Maron lebt in Ost–Berlin, in Pankow, schreibt und arbeitet dort und trägt sich nicht mit Ausreiseplänen. persona non grata In Pankow spielt auch ihr jüngster Roman, „Die Überläuferin“. Rosalind lebt hier, arbeitet hier und hat hier ihre sozialen Bezüge. Doch dieses „normale Leben“ erfahren wir nur im Rückblick. Rosalind sitzt am Fenster, ihre Beine sind gelähmt. Sie genießt es, aus allen Rythmen und Verpflichtungen herausgefallen zu sein. In ihren Tagträumen begeht sie einen „anarchistischen“ Überfall auf einen Supermarkt, indem sie die wartenden Kundinnen aufstachelt, sich mit Koteletts und Erbsen gegen die Schikanen des Bedienungspersonals zur Wehr zu setzen. Sie führt Kneipengespräche mit ihrem früheren Freund Bruno, durch die sie die Beziehung und deren Scheitern verstehen will. Und immer wieder erfindet sie Geschichten mit ihren Freundinnen Clairchen und Martha. Während Clairchen auf ihrer unersättlichen Suche nach Liebe verzweifelt und sich schließlich an einem Baum erhängt, wehrt sich Martha gegen Zwänge und Vorschriften, erkennt nur Regeln an, die sie als richtig ansieht - und erschrickt und fasziniert damit Rosalind, die zunächst solche Grenzüberschreitungen ablehnt. Zwischen der Macht über ihre Phantasiegebilde und dem Zwang, selbst kreierten Handlungssträngen zu folgen, hin und her gerissen, begreift Rosalind die Welt neu als etwas nicht fertig Definiertes. Christel Hildebrandt Charlotte Worgitzky, Vieräugig oder blind. Erzählungen, Knaur Taschenbuch Verlag 1986, DM 8,80. Christine Müller, James Dean lernt kochen. Männer in der DDR. Protokolle, Luchterhand Verlag 1986, DM 12,80. Monika Maron, Die Überläuferin. Roman, S. Fischer Verlag 1986, DM 28.

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