piwik no script img

Vobo–Inis planen „heiße Phase“

■ 80 baden–württembergische Volkszählungsboykott–Initiativen diskutierten gemeinsame Strategie / Polizei beschlagnahmt Boykott–Transparent / SPD–Innenminister bekräftigen Unterstützung der Volkszählung

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) -Rund 250 Vertreter/innen von über 80 baden–württembergischen Vobo–Gruppen haben sich am Wochenende bei ihrer landesweiten Aktionskonferenz auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. Ab April werden dazu zahlreiche Initiativen Selbstverpflichtungserklärungen zum Boykott sammeln, die bei neutralen Personen hinterlegt werden sollen. Wöchentlich soll dann die Zahl der Erklärungen veröffent licht werden. In der sogenannten „heißen Phase“ der Zählung, d.h. nach Ausgabe der Fragebögen Mitte Mai, werden in Baden– Württemberg alternative Sammelstellen eingerichtet, in denen jede/r Boykottwillige seinen unausgefüllten Fragebogen abgeben kann. Den 23. Mai 1987 haben die baden–württembergischen Inis zum „alternativen Stichtag“ erklärt, an dem u.a. landesweit auf Veranstaltungen der Stand der gesammelten Fragebögen bekanntgege ben werden soll. Außerdem schlagen die Vobo–Gruppen vor, sich unter dem Motto: „Nicht der Staat, wir Bürger stellen Fragen“, massenhaft Anfragen an die Statistischen Landesämter zu wenden. In Berlin haben Polizeibeamte letzte Woche erstmals ein Vobo– Transparent beschlagnahmt. Polizisten hatte das Transparent mit der unverfänglichen Aufschrift „Volkszählungsboykott - eine gute Sache?“ so sehr in Rage gebracht, daß sie drohten, mit „drei Wannen und Verstärkung“ zu kommen, falls die Hausbewohner es nicht entfernten. Obwohl im Volkszählungsgesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist, daß Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit Erkenntnisse aus der Volkszählung zu Lasten des Gezählten nutzen könnten, nicht als Zähler eingesetzt werden dürfen, will Niedersachsen auch Staatsanwälte, Gerichtsvollzieher und andere Justizbeamte zum Zählen losschicken. Die Innenminister und -senatoren der SPD–regierten Bundesländer haben nach zweitägigen Beratungen ihre Unterstützung für die Volkszählung bekräftigt. Der Bremer Innensenator Kröning sagte dazu, das Volkszählungsgesetz sei mit den Datenschutzbeauftragten gründlich abgestimmt. Wer dennoch Zweifel daran habe, solle den „Mut“ haben, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Für die Volkszählung haben sich auch die Vizepräsidentin der Bundesanstalt für Arbeit, Ursula Engelen–Kefer (SPD), und die ÖTV–Vorsitzende Wulf–Matthies ausgesprochen. „Neurotische Züge“ attestierte der innenpolitische Sprecher der FDP, Burkhard Hirsch, der Anti–Volkszählungskampagne der Grünen. Justizminister Engelhard (FDP) sprach von „Panikmache“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen