piwik no script img

Die Post soll ihre Monopolestellung verlieren

■ Telekommunikationsindustrie drängt auf De–Regulierung bei der Bundespost / Post nur noch bei der Infrastruktur für die digitale Nachrrichtentechnik erwünscht

Gerd Wigand, Vorstandsmitglied des Telefonanlagen–Bauers Telenorma, meldet eine Sprachregelung an: Vom Begriff der Fernmelde–Industrie könne man sich verabschieden, denn der passe nicht mehr in eine EDV–Landschaft, in der Informations– und Kommunikations–Technologien miteinander verschmolzen seien. In der Tat sind es kaum noch andere als die Experten von der Post, die auf einem hochkarätig besetzten Telekommunikations–Kongreß am Rande der CeBIT–Computermesse in Hannover die alten Worte verwenden. Zweihundert Manager aus den USA, Westeuropa und Japan berieten drei Tage lang über die „Deregulierung und Liberalisierung des europäischen Telekommunikations–Marktes“. Im Mittelpunkt ihres Interesses stand dabei die Deutsche Bundespost. Auf dem größten der westeurpäischen „Teilmärkte“ stehen demnächst Entscheidungen an. Denn Mitte des Jahres wird eine Regierungskommission ihre Vorschläge zur Neuordnung des Fernmeldewesens der Post vorlegen. Zugleich schreibt eine Gruppe in der Brüsseler EG–Kommission an einem „Grünbuch“, das zum Durchbruch für die Gründung eines gemeinsamen Marktes für Telekommunikations–Dienstleistungen führen soll. Der Europäischen Gemeinschaft kommt in diesem Fall eine besondere Bedeutung zu: sie allein, so ist die einhellige Meinung von Politikern wie Industriellen, kann für den einheitlichen Euro–Markt sorgen, der als Voraussetzung für eine ernsthafte Konkurrenz mit den USA gilt. Der Kernbegriff der Diskussion ist ISDN, das „Integrated Services Digital Network“. Dieses Standard–Netz wird nach und nach in der ganzen EG eingeführt und bietet die Möglichkeit, neben der Sprache auch Texte, Daten und Standbilder zu übertragen - elektronisch gibt es dazwischen keine Unterschiede mehr, weil alle Informationen digitalisiert, also in Nullen und Einsen zerlegt werden. ISDN ist die technische Voraussetzung für enorme Wachstumsschübe, weil es die Kommunikation zwischen EDV– Geräten wesentlich erleichtert - und verbilligt. ISDN wird in der Bundesrepublik noch in der Pilotphase getestet; 1988 sollen die ersten regulären Anschlüsse geschaltet werden, und nach weiteren fünf Jahren soll das Angebot auf die gesamte Republik ausgedehnt sein. Gerade weil die Post mit den riesigen Summen für neue Kabel den Vorreiter für diese Standardisie rung gemacht hat, die die EDV– Konzerne unter sich nicht erreicht haben, geht es ihr jetzt ans Eingemachte. Eine Dreiteilung zeichnet sich ab. Unbestritten ist unter den Experten nur, daß die Post weiterhin ein „hartes“ Monopol in den öffentlichen Fernmelde–Netzen haben soll, merkte Eberhard Wigand an, der für den einflußreichen Zentralverband Elektrotechnik– und Elektronik–Industrie (ZVEI) Mitglied der Bonner Kommission ist. Niemand außer dem Staatsbetrieb kann das Risiko für Investitionen wie ISDN tragen. Aber damit soll die ausschließliche Trägerschaft der Post künftig enden, in anderen Bereichen soll sie nur noch als Mitbewerberin neben der Industrie auftreten. Als Hemmschuh gilt den High– Tech–Konzernen akut das postalische Endgeräte– und in Ansätzen bereits das Dienstleistungs–Monopol, auch wenn die Massen– Kundschaft das zunächst kaum merkt. „Dereguliert“ werden soll der gesamte Endgeräte–Markt; fast alle Tele–Dienstleistungen der Zukunft (Bildtelefon, Rechneranschlüsse, Video–Konferenzen), außer ganz wenigen konventionellen „Grunddiensten“ wie dem Telefonier–Angebot, sollen „liberalisiert“ werden. Bislang installiert die Post die Telefone, das Netz endet in diesem oder anderen Endgeräten wie einem Telefax–Apparat. Doch was ist, wenn ein btx–fähiger Kleincomputer angeschlossen wird, der zugleich über das Fernmelde– Netz mit einem Zentralrechner korrespondieren kann? Gerätehersteller wie AEG oder Nixdorf würden sich bedanken, wenn ausschließlich die Post diese „netzfähigen“ EDV–Geräte zulassen und installieren wollte. Die Post soll nur noch bis zum „ISDN–Standard–Netzabschluß“ in der Wand zuständig sein. Alles Technische, was danach kommt, ist Sache der Industrie, die an der Entwicklung des Abschlusses beteiligt war und dafür sorgt, daß ihre neuen Geräte ISDN–fähig sind. Die gleichzeitige „Liberalisierung“ bedeutet, daß nicht mehr die Post das Endgerät stellt; in Zukunft sollen die Postkunden ihre Telefone und alle anderen Apparate bei Firmen kaufen. Auch der Handel mit Gebrauchtgeräten müßte dann freigegeben werden. Der „Wettbewerb im Tele– Dienstleistungsbereich“ ergänzt die streng marktwirtschaftlichen Konzepte. Der Aufteilung zwischen Paketpost und United Parcels ähnlich, können Konzerne dann mit dem Fernmelde–Service der Post konkurrieren. Dabei benutzen sie weiterhin das Postnetz. Telekommunikations–Zentren, die schneller und billiger sind als der Staatsbetrieb? „Diese Variante ist sicherlich möglich“, meint Postsprecher Bruchmüller auf Nachfrage. Doch in Bereichen, wo die Post mit Unternehmen konkurriert, hat sie schon jetzt das Nachsehen. Große Betriebe, die sich eine Nebenstellenanlage für die interne Kommunikation und für Gespräche nach draußen zulegen, können sich eine DeTeWe– oder Nixdorf– Entwicklung entweder bei der Post oder direkt ab Firmenlager kaufen - versteht sich, daß die Post nur noch einen kleinen Marktanteil hat. Aus jedem der jetzt von der Wirtschaft so freimütig eingeräumten Konkurrenzbereiche fliegt sie heraus - früher aus dem Endgerätemarkt, später aus den „TK–Diensten“. Als Drittes, geht es nach dem Willen der Vordenker, muß sich der „Wirtschaftsbetrieb Post“ neben der Aufteilung in einen Monopol– und einen Wettbewerbsbereich auch organisatorisch von seinen hoheitlichen Aufgaben trennen. „Denn es geht nicht an,“ so ein Fachmann, „daß die Post gleichzeitig Mitbewerberin ist und auch noch Vorschriften erlassen kann.“ Der Postexperte Arnold von der renommierten Hamburger Beratungsfirma SCS hat sich zudem mit „Marktverzerrungen“ beschäftigt. Die Quersubventionierung müsse unbedingt aufgehoben werden, die Überschüsse aus dem Fernmelde–Bereich dürften nicht den Briefdiensten zugute kommen. Das hält er „auch innerhalb der Koalition für kompromißfähig“. Weil so eine deutliche Senkung der Gebühren für die Tele– Dienste erreicht werden könnten, sei mit einer stark wachsenden Nachfrage zu rechnen, und das wiederum wirke sich vorteilhaft auf den Geräte–Markt, die Kommunikations–Intensität und den Wettbewerb mit den USA aus. Diese Entwicklungen werden in den nächsten Jahren nur für die „Telekommunikations–Industrie“ und die Nutzer in ähnlicher wirtschaftlicher Größenordnung interessant werden, zwischen die die Post immer mehr eingezwängt wird. Die Zeitpläne sehen vor, daß von ISDN bis 1992 alle Großunternehmen, bis 1995 alle mittelständischen Betriebe, danach die Selbständigen und erst in etwa 20 Jahren die Masse der Privathaushalte erreicht werden. Dietmar Barz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen