piwik no script img

Von Schelmen und Kunstbanausen

■ Zwei jugoslawische Künstler zweckentfremdeten Blut– und Bodengrafik für Tito–Jubelplakat KP durch Enttarnung der Vorlage kalt erwischt / Jetzt Ermittlungen gegen die Künstler

Von H. Hofwiler

Zagreb (taz) - Die Partei tobt: Staatsgründer Tito sei von zwei Malern auf einem Plakat verunglimpft worden, da höre die Freiheit der Kunst auf, die beiden gehörten hinter Gitter. Die Erklärung der betroffenen Maler, ihr Werk sei frei von „den dunklen Kräften des Faschismus, Stalinismus und Dogmatismus“, wertet die Partei als weitere Verhöhnung. Dabei fing alles ganz harmlos an. Das Ljubiljana Designer– Büro „Neuer Kollektivismus“ bekam Anfang des Jahres den Auftrag, anläßlich der Gedenkfeiern zu Titos Geburtstag am 25. Mai, der in dem Vielvölkerstaat der Adria als „Tag der Jugend“ gefeiert wird, ein ehrwürdiges Plakat zu entwerfen. Die Maler Knes und Uranek nahmen, was niemand wußte, dazu die Grafik „Das Dritte Reich“ des Hitler–Verehrers Richard Klein als Vorlage. Kleins arischer Jüngling wurde leicht retuschiert. Anstelle der Hakenkreuzfahne in seiner rechten Hand hält er nun die jugoslawische Trikolore, anstelle der Fackel in der linken die Staffette Titos. Nichts ahnend, lobten die Kommunisten den Plakatentwurf. Die Kunstkritikerin Liliana Domic befand zwar, etwas zu viel „Romantizismus inspiriert von der Philosophie Georges Sorels“ überziehe das Werk, aber letztendlich sei es ein gelungenes Poster. Angeblich dem Zufall war es dann zu verdanken, daß ein Belgrader Ingenieur beim Blättern einer Klein–Biographie die Grafik als Plagiat erkannte. Die Partei fühlte sich verarscht. Während sich daraufhin alle Verantwortlichen distanzieren und von einer vorsätzlichen staatsfeindlichen Täuschung der Künstlergruppe „Neuer Kollektivismus“ reden, bleiben Knes und Uranek cool: „Wir haben keine Nazi– Symbole verwendet, wir haben sie vernichtet. Auch unsere illegalen Kommunisten haben einst Hakenkreuze mit roten Sternen überpinselt, und wir nutzen die gleichen Symbole.“ Eine Petition von 120 Künstlern, die gestern der taz zugeleitet wurde, ermahnt die Politiker, sich nicht als Richter über Kunstwerke aufzuspielen und die Strafverfolgung gegen die beiden Grafiker einzustellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen