: Bayern unsicher über AIDS–Maßnahmen
■ AIDS–Maßnahmenkatalog im Landtag umstritten Sozialminister Hillermeier kündigt Überprüfung an
Von Luitgard Koch
München (taz) - Neue Mitarbeiter des Europäischen Patentamts in München werden keinem AIDS–Test unterzogen, meldete die Behörde. Ein solches Verfahren sei für Bewerber aus 13 Vertragsstaaten nicht durchführbar. Aber nicht nur aus dem Europäischen Patentamt werden Bedenken gegen die Durchführung des rigiden AIDS–Bekämpfungsprogramms der bayerischen Staatsregierung angemeldet, selbst in Kabinettskreisen heißt es jetzt, daß der Beschluß des Ministerrats vom 25. Februar nicht in allen Punkten wie geplant durchgezogen werden kann. Besonders heftig umstritten ist der Begriff des „AIDS–Verdächtigen“ sowie die Durchführung von AIDS–Zwangstests für Ausländer und Beamtenanwärter. So muß der Kreis der „HIV–Verdächtigen“ in der Praxis mehr eingegrenzt werden, da sonst praktisch jeder Bürger Opfer der Zwangsmaßnahmen würde. Rechtliche Probleme ergeben sich auch bei der geforderten obligatorischen Blutentnahme für den AIDS–Test an Beamtenbewerbern: Die Blutentnahme gilt strafrechtlich als Körperverletzung. Sozialminister Hillermaier ließ vor dem Landtag durchblicken, die Staatsregierung werde ihren AIDS–Katalog nochmals auf Vor– und Nachteile hin überprüfen. Hillermaier, aus dessen Ministerium hauptsächlich Vorschläge zur AIDS–Aufklärung und Betreuung von AIDS–Kranken kamen, sprach erst an letzter Stelle von den kritisierten Zwangsmaßnahmen. Selbst Innenminister Lang, der zusammen mit seinem Innenstaatssekretär an der Ausarbeitung des rigiden AIDS–Bekämpfungsprogramms maßgeblich beteiligt war, will plötzlich die Beschlüsse lediglich als „Rahmen“ verstanden wissen. Einen bayerischen Alleingang hält er nicht für angebracht. Eine namentliche Meldepflicht will Lang immer noch für AIDS–Infizierte, die „fahrlässig oder vorsätzlich die Infektion verbreiten“. Bedenken gegen die Beschlüsse meldete auch der gesundheitspolitische Sprecher der CSU, Johann Böhm, an. „Es geht nicht, daß man die Welt in Nicht–Infizierte und Infizierte teilt und die Infizierten der Kategorie des Bösen zuordnet“. Eine Meldepflicht für AIDS–Infizierte könne nur dann einen Sinn haben, wenn alle Bürger erfaßt und zwangsuntersucht würden, dabei gäbe es jedoch rechtliche Probleme. Außerdem sei nicht klar, was mit den Infizierten passiere. Auch der CSU–Bundestagsabgeordnete Günther Müller bemerkte, einige Maßnahmen seien „nur aus Aktionismus in Szene gesetzt“ worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen