: Geiselnehmer schieben „Hinrichtung“ auf
■ Der im Libanon entführte Normandin appelliert an die französische Regierung / „Organisation Revolutionärer Gerechtigkeit“ bestreitet Entführung Waites / US–Geisel Steen liegt angeblich im Sterben / Entführer fordern Freilassung von 100 Häftlingen aus Israel
Beirut (afp) - Der im Libanon als Geisel gehaltene französische Techniker Jean–Louis Normandin teilte am Montag mit, daß die „Organisation für Revolutionäre Gerechtigkeit“ (ORJ) seine Hinrichtung zunächst aufgeschoben habe. Dank der Interventionen von Scheich Fadlallah, dem geistlichen Oberhaupt der pro–irani schen Schiitenbewegung Hizballah, und Mgr Capucci, dem ehemaligen griechisch–katholischen Erzbischof von Jerusalem, sei jetzt jedoch keine Rede mehr davon, ihn zu töten, sagte der Gefangene auf einer Video–Kassette. Der seit dem 8. März 1986 im Libanon festgehaltene Normandin forderte die französische Re gierung auf, sich an die „Vereinbarungen“ mit der ORJ zu halten. Nur durch Diskussionen und Verhandlungen sei seine Freilassung zu erreichen, nicht jedoch durch militärisches Eingreifen, betonte Normandin. Die ORJ habe sich bisher an die Vereinbarungen gehalten und seine mit ihm entführten drei Kol legen nacheinander freigelassen, erklärte Normandin. Nach seiner Verurteilung zum Tode durch ein „Gericht“ erhielt Normandin nach eigenen Angaben jedoch die Möglichkeit, erneut vor dem „Gericht“ zu erscheinen. Frankreich müsse jetzt etwas zu seiner Rettung unternehmen, beispielsweise im Golfkonflikt eine neutrale Haltung einnehmen und die Waffenlieferungen an beide Seiten einstellen. Die OJR hat unterdessen bestritten, daß sich der Sondergesandte des Erzbischofs von Canterbury, Terry Waite, in ihrer Gewalt befindet. In einem Anfruf bei den Büros des iranischen Rundfunks und Fernsehens in Libanon erklärte am Dienstag morgen ein OJR–Sprecher, seine Organisation habe mit dem Verschwinden Waites nicht das geringste zu tun. Der OJR–Sprecher reagierte damit auf die Meldung Radio Teherans, in der es am Montag zum erstenmal geheißen hatte, Waite sei von der OJR unter dem Verdacht festgenommen worden, ein Spion zu sein. Die Organisation „Islamischer Heiliger Krieg für die Befreiung Palästinas“ (JILP) hat am Montag abend in Beirut erklärt, eine der drei von ihr festgehaltenen US– Geiseln, Alann Steen (46), liege im Sterben. In einem Kommunique, das am Montag einer Beiruter Tageszeitung zugeleitet wurde, fordern die Entführer im Austausch für den Sterbenden die Freilassung von 100 Häftlingen aus israelischen Gefängnissen. Der Professor für Kommunikationswissenschaft am Beirut University College (BUC) war zusammen mit drei Kollegen am 24. Januar in Beirut entführt worden. Seinen Mitarbeitern zufolge war er bei guter Gesundheit.
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