: Streit über Konjunkturprognosen
■ Zwei Institute legen Minderheitsvotum beim Frühjahrsgutachten vor / Wachstumsprognosen nach unten korrigiert / Regierungsposition isoliert / Abbau der Arbeitslosigkeit durch Konjunktureffekte nicht möglich
Berlin (dpa/taz) - Die Konjunkturentwicklung in der Bundesrepublik wird von den fünf Wirtschafsforschungsinstituten, die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministers halbjährlich ein gemeinsames Konjunkturgutachten erstellen, diametral entgegengesetzt beurteilt. Nach Meldungen der Süddeutschen Zeitung gehen das HWWA Hamburg, das IW Kiel und das RWI Essen in dem Frühjahrsgutachten, das am kommendenden Montag in Bonn offiziell vorgestellt werden soll, von einem weiter andauernden Konjunkturaufschwung aus. Dagegen vertreten das DIW Berlin und das IFO München die Position, daß die konjunkturelle Talfahrt bereits in vollem Gange sei. Nachdem sich die Institute im Herbst und vor den Wahlen noch - wenn auch mit Mühe - auf die gemeinsame Prognose eines dreiprozentigen Wirtschaftswachstums einigen konnten, vertreten sie nun unterschiedliche Werte. Die Dreier–Gruppe soll sich auf die Voraussage eines realen Wirtschaftswachstums von zwei Pro zent geeinigt haben. In einem Minderheitsgutachten aus Berlin und München wird dagegen nur noch ein Prozent Wachstum für realistisch gehalten. Die Institute in Berlin und München waren zu keiner inhaltlichen Stellungnahme bereit. Dr. Horst Seidler vom DIW Berlin wies darauf hin, daß für das Gutachten eine Sperrfrist bis Montag gelte und bis dahin mit dem Auftraggeber Vertraulichkeit vereinbart sei. Er schloß aus, daß die Indiskretion ihren Ursprung in Berlin haben könnte. Minderheitsvoten habe es in der beinahe vierzigjährigen Geschichte der Gemeinschaftsgutachten auch früher gegeben, das sei nicht sensationell. In der Tat sind es wohl weniger die Differenzen zwischen den Instituten als die Differenz zum noch hochgehaltenen Konjunkturoptimismus der Bundesregierung, die für politische Brisanz sorgen. Immerhin korrigierten alle Institute ihre Wachstumsprognose nach unten. Übereinstimmend sollen auch alle Institute einen Abbau der Arbeitslosigkeit angesichts der sich abzeichnenden Bremsspuren im Exportbereich und der rückläufigen Tendenzen im Verarbeitenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich ausgeschlossen haben. Angesichts der vorliegenden Meldungen zur Konjunkturentwicklung gibt es keine Hoffnung darauf, daß alleine die Marktkräfte zur wirtschaftlichen Regulierung ausreichen. Ebenso wird deutlich, daß weder Maßhalteappelle an die Gewerkschaften noch Vertröstungen auf die Wirkungen der Steuerreform die Regierung davon entlasten, wirtschaftliche Konzepte vorlegen zu müssen.
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