: Vobo: Verfassungsschutz wird aktiv
■ Niedersächsischer Verfassungsschutz beschäftigt sich mit Gegnern der Volkszählung / Aktenvermerk jetzt bekannt geworden / SPD–Abgeordneter Werner Holtfort fordert Auskunft von Landesregierung
Aus Hannover Jürgen Voges
Der Verfassungsschutz, der laut Gesetz nur „Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder den Bestand und Sicherheit des Bundes und der Länder“ beobachten darf, beschäftigt sich in Niedersachsen jetzt auch mit Ordnungswidrigkeiten. Dem SPD–Landtagsabgeordneten Werner Holtfort ist ein sechsseitiger Vermerk bekannt geworden, in dem sich die Verfassungsschutzbehörde mit dem Widerstand gegen die Volkszählung auseinandersetzt. „Es ist völlig gesetzwidrig, geradezu verfassungwidrig“, erklärte dazu gestern der SPD–Landtagsabgeordnete, „daß der Verfassungsschutz überhaupt im Zusammenhang mit der Zählung tätig wird.“ Selbst einen Boykott der Erhebung habe der Gesetzgeber schließlich als bloße Ordnungswidrigkeit eingestuft. Der sechseitige Vermerk des Verfassungsschutzes trägt nach Angaben von Werner Holtfort das Aktenzeichen 41.3–0037–A– 000.40–1–3/87. In ihm werden unter anderem Methoden empfohlen, wie für die Durchführung der Volkszählung zu werben sei. Als Kritiker führt der Verfassungsschutz neben anderen Organisationen und Gruppen die Grünen, den „Bundesverband der Jungdemokraten“, den „Bundesverband der Humanistischen Union“ und den „Republikanischen Anwaltsverein“ auf. Dennoch kommt der unbekannte Autor des Vermerks zu dem Schluß, wie schon 1983, so werde auch heute der Widerstand gegen die Volkszählung „im wesentlichen von politischen Extremisten initiiert“. Der SPD–Politiker Holtfort will nun durch eine kleine Anfrage von der Landesregierung erfahren, ob auch sie die aufgeführten Kritiker der Volkszählung den „politischen Extremisten“ zurechnet und ob sie es für eine Aufgabe des Verfassungsschutzes hält, sich Vorschläge zu deren Werbung auszudenken. Außerdem befürchtet der Landtagsabgeordnete, daß „in Niedersachsen Auskünfte und Daten über Gegner der Zählung gespeichert werden und so eine Verweigererdatei entsteht“. Eine solche Speicherung würde viele Vorbehalte gegen das Volkszählungsgesetz im nachhinein rechtfertigen.
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