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Autonome Frauen im Aus?

„Muß die Frauenschule schließen?“ fragt ein Plakat an der Tür der Frankfurter Frauenschule. Seit dem 5. April bangt das traditionsreiche feministische Projekt um seine Existenz. Auf Flugblättern werden alle Sympathisantinnen dazu aufgefordert, die Zukunft der Frauenschule durch private Spenden zu sichern, denn „die hessische Wende wird das Ende der öffentlichen Förderung der Frauenschule bedeuten“ (Flugblatt–Text). Für 1987 sind zwar von der alten Regierung noch 150.000 Mark zugesagt worden, doch wenn abzusehen ist, daß das die letzte Zuwendung war, muß im Herbst dichtgemacht werden. Allein die Miete für die Fabriketage in der Hamburger Allee beträgt 6.200 Mark im Monat, und die vier festen Mitarbeiterinnen sowie die 27 Kursleiterinnen wollen auch bezahlt sein. Der Großteil dieser Un kosten wurde bisher von der „Bevollmächtigten des Landes Hessen für Frauenangelegenheiten“, kurz Frauenbehörde genannt, gedeckt. Doch die Behörde steht vor demselben Problem wie die Frauenschule: Keine der Mitarbeiterinnen in der Wiesbadener Villa weiß, wie es weitergehen wird. „Wir waren immer so offen, aber bei denen wird nur geheim verhandelt“, klagt die grüne Staatssekretärin Marita Haibach, zweite Frau im Hause nach der Sozialdemokratin Vera Rüdiger. Nichts sei bisher von den neuen Herren signalisiert worden, und auch von den konservativen und liberalen Frauen sei nicht zu erfahren gewesen, ob die Frauenbehörde weiterexistieren soll oder nicht. „Es gab nur mal einen Anruf, wieviel Geld noch da ist, das war alles“, fährt Frau Haibach fort. Unterdessen blühen auch bei den Frauen die Spekulationen. Wird die Behörde einfach abserviert, wird sie langsam finanziell ausgetrocknet, oder werden die Schwarzblaugelben den Rotgrünen am Ende die Schau stehlen und ein richtiges Frauenministeriunm einrichten. Marita Haibach hält ein langsames und taktisches Vorgehen für wahrscheinlich: „Die werden die Frauenförderpläne nicht mit einem Paukenschlag wegputzen.“ Wohin die Fahrt in Sachen Frauenpolitik gehen soll, haben die Überraschungssieger erst in groben Zügen umrissen, doch einige klare Trends zeichnen sich ab: weg von der Zusammenarbeit mit autonomen Frauengruppen, Schluß mit den Frauenbildungsprojekten und keine weiteren Familienplanungszentren von Pro Familia. Letztere werden von CDU–Sprechern gerne Abtreibungszentren genannt. Mit 2,8 Millionen Mark stand Pro Familia bisher im Landesetat. Viele Frauen aus CDU–regierten Ländern nutzten die Chance, in Kassel oder Rüsselsheim ohne erniedrigende Begleitumstände eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen zu lassen. Im gesamten Hessen unterhält die Organisation Beratungsstellen. Ob das neue Pro–Familia–Zentrum in Gießen seine Arbeit aufnehmen kann, ist jetzt ziemlich unwahrscheinlich. CDU–Generalsekretär Manfred Kanther: „Eine CDU–geführte Landesregierung wird für eine Abtreibungsklinik kein Geld ausgeben.“ Der designierte FDP–Fraktionschef Otto Wilke sieht in Sachen Pro Familia zwar „in Nuancen unterschiedliche Auffassungen“. Aber ob diese Nuancen reichen werden, um Pro Familia weiter die Existenz in Hessen zu sichern, ist fraglich. Auch die Existenzängste der Frankfurter Frauenschule sind gerechtfertigt, denn feministische Theorieprojekte haben wenig Gemeinsamkeiten mit den familienpolitischen Vorstellungen der CDU. Otto Wilke spricht in diesem Zusammenhang gerne von Projekten, die nur der „Eigenbeschäftigung“ und der „Eigentheorie“ dienen. Sicher ist, Frauenhäuser werden weiterhin unterstützt, doch macht man bei den Konservativen keinen Hehl daraus, daß man die Frauen in Not lieber von der Caritas betreut sehen will als von autonomen Frauenvereinen. Generalsekretär Kanther hätte in den Frauenhäusern gerne eine „geordnete Verwaltung“, wie sie z.B. ein kommunaler Träger bieten kann. Kommunale Verwaltung, befürchten die autonomen Frauen, bedeutet auch entanonymisierung der Betroffenen und Kontrolle durch die Sozialämter. Die Zehn Millionen Mark, die seit 1984 jährlich in das rot–grüne Frauenaktionsprogramm gingen, kamen nicht nur bekannten Frauen–Institutionen wie Frauenhäusern und Frauenschulen zugute. Eine Vielzahl von Projekten, auch im ländlichen Raum, bangt jetzt um ihre Existenz: Notrufgruppen, Selbstverteidigungsgruppen, Frauenforschungsinstitute, Mädchentreffs und Mädchenhäuser. Das Programm Frauenförderung, daß eine Quotierung bei den Landesbehörden vorsieht, hängt ebenso in der Luft wie die Kampagne gegen sexuelle Gewalt und das Programm zur beruflichen Wiedereingliederung von Frauen. Auch eine Gruppe iranischer Asylbewerberinnen fürchtet um ihre Zukunft, denn die Botschaft der islamischen Republik hat sich schon beschwert, daß die Dissidentinnen mit Landesmitteln gefördert werden. Marita Haibach: „Was aus all dem wird, weiß kein Mensch.“

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