: Vor 20 Jahren: Griechische Obristen putschten
■ Die „sieben schwarzen Jahre“ der faschistischen Obristenherrschaft haben den Griechen politische Hypotheken beschert, die Hellas bis heute noch nicht bewältigt hat / Griechenlands politische Parteien schweigen lieber über ihre Rolle vor dem Putsch
Aus Athen Georg Schwarz
Athen im April 1967: In der Nacht vom 20. auf den 21. rollen Panzer in der Stadt ein, Soldaten besetzen den Regierungssitz und Rundfunkstationen und übernehmen Post– und Telefonämter sowie Zeitungsredaktionen. Die gesamte politische Führung, darunter der konservative Premier Kanellopoulos und seine wichtigsten Minister sowie die Oppositions führer Vater und Sohn Papandreou, werden im Schlaf überrascht und verhaftet. Im Laufe der Nacht werden noch Tausende Gewerkschafter, Parteifunktionäre, aber auch oppositionelle Bürger verhaftet und in Gefängnissen zum Teil jahrelang festgesetzt. Das Obristen–Regime, das seinen Überraschungs–Putsch am liebsten „Revolution“ nennen ließ, hatte sich beinahe widerstandslos durchgesetzt. Zwanzig Jahre später würden alle Beteiligten gerade diesen Überraschungseffekt und damit auch die eigene Verantwortung an den „sieben schwarzen Jahren“ der Militärherrschaft gerne vergessen. Die Generäle und die Royalisten tun sich immer noch schwer mit dem Umstand, daß sie in Zusammenarbeit mit dem königlichen Hof selber einen Putsch vorbereitet hatten, dem aber die Obristen zuvorkamen. Die Konservativen wollen auch gern vergessen, wie sie sich aus Angst, ihre Macht an progressive Politiker abgeben zu müssen, einem makabren Kaufrausch von Parlamentariern hingaben und damit ebenfalls die politische Staatsgewalt untergruben. Auch die Linke hat heute Grund, den Obristenputsch in den Hintergrund schieben zu wollen, hatte die EDA (Griechische Demokratische Allianz) doch das Selbstverständnis des Militärs unterschätzt, sich als einziger bestimmender Machtfaktor Griechenlands zu begreifen. Verdeutlicht wurde dies noch am Tag des Putsches, als das Parteiorgan der progressiven Avgi mit einem Leitartikel erschien, der die Gründe analysierte, warum in Griechenland kein Militärputsch stattfinden kann. Die Putschisten wurde Griechenland 1974 los, die meisten von ihnen sitzen noch im Athener Korydallos–Gefängnis. Nicht aber deren Erben. Außenpolitisch bescherten die Obristen dem Land eine bis heute nicht überwundene Zuspitzung des griechisch–türkischen Konflikts. Deutlich wird dies in der Krise, die Ende letzten Monats die beiden Länder an den Rand einer militärischen Konfrontation gebracht hatte. Die Obristen hatten 1969 einem internationalen Konsortium das uneingeschränkte Recht auf Öl–Förderung in der nördlichen Ägäis eingeräumt, auf die auch die Türkei Anspruch erhebt. 1974 wollten sie das Staatsoberhaupt Zyperns, den Erzbischoff Makarios, stürzen und provozierten damit die türkische Invasion der Insel. Innenpolitisch ließen sie die Führung der griechisch–orthodoxen Kirche willkürlich mit ihnen gefälligen Bischöfen auswechseln. Die Kirchenfürsten, die heute wegen der Landenteignung auf die Barrikaden steigen, verdanken zum großen Teil ihre jetzige Macht den damaligen Militaristen. „Wir haben immer noch Angst vor einem neuen Putsch, obwohl es heute weder Anzeichen noch Hintergründe dafür gibt“, schrieb vor wenigen Tagen die linksliberale Elefterotypia, worin die ganze griechische Presse übereinstimmt. Die Armeeführung ist nach dem Wahlsieg der Sozialisten gründlich gesäubert worden. Darüber hinaus gilt die parlamentarische Demokratie Griechenlands durch die EG–Mitgliedschaft als gesichert. Der griechische Geheimdienst (KYP), seit seiner Gründung Ende der vierziger Jahre immer wieder eine Gefahr für jede Zivilregierung, untersteht seit 1974 der direkten Kontrolle des Premierministers. Ein Großteil der Griechen kann und will allerdings auch nicht vergessen, welchen Anteil die „Einmischung der USA“ am Putsch von 67 hatte. Der Obristenputsch verlief nach dem NATO–Plan „Prometheus“, der zur „Abwehr einer kommunistischen Aggression“ ausgearbeitet worden war. Alle Initiatoren dieses Plans für den nationalen Notstand waren ausnahmslos Mitglieder des KYP, der seinerseits vom amerikanischen CIA gegründet und bis 1974 von den USA finanziert und kontrolliert wurde. In zahlreichen Berichten flammt denn auch in diesen Tagen ein unüberhörbarer Anti– Amerikanismus in der griechischen Presse auf. Nichts kommt den USA momentan ungelegener: In dieser Woche noch soll nämlich der US–Botschafter in Athen, Robert Keely, Gespräche mit der Regierung über die Zukunft der 20 US–Basen in Griechenland aufnehmen.
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