„Pfad durch den Irrgarten gefunden“

■ Erster Freilandversuch mit gentechnisch veränderten Bakterien durchgeführt / Versuchsleiter besprühte Erdbeeren / Ökologen versuchten vergeblich, das Experiment zu verhindern / Die Gegner befürchten, die künstlichen Bakterien könnten auf andere Pflanzen übergehen

Von Silvia Sanides–Kilian

Washington (taz) - Nach über drei Jahre langer Kontroverse ist am Freitag in Kalifornien der erste genehmigte Freilandversuch mit gentechnisch veränderten Bakterien durchgeführt worden. Bekleidet mit Schutzanzug und Maske, besprühte eine Angestellte der Gentechnik–Firma „Advanced Genetic Sciences“ (AGS) ein Erdbeerfeld mit den als „Frostban“ bekannten Bakterien. Dem Bakterium, das in seiner natürlichen Form die Oberfläche von Pflanzen besiedelt und dort zur Eiskristallbildung bei Temp worden waren. Normalerweise kommt es bereits am Gefrierpunkt zu Frostschäden. Der Freilandversuch soll zeigen, ob das künstliche Anti–Frost– Bakterium auch in der freien Natur, also in der Konkurrenz mit der natürlichen Variante des Bakteriums, vor Frostschaden schützt. Da Frostschäden in den USA zu ei nem jährlichen Verlust von etwa 1,5 Milliarden Dollar führen, könnte „Frostban“ eine bedeutende kommerzielle Zukunft haben. Als das gentechnisch veränderte Bakterium vor über drei Jahren zuerst im Freiland getestet werden sollte, protestierten Umweltschützer unter Führung des prominenten Gegners der modernen Gentechnologie Jeremy Rifkin. Unter anderem befürchteten die Kritiker, daß „Frostban“ im Freiland auf andere Pflanzen übersiedeln werde, deren Vegetationsperiode sich durch den Frostschutz verlängern könne, und damit das Ökosystem aus dem Gleichgewicht brächte. Richard Godown, der Vorsitzende des Industrieverbandes „Industrial Biotechnology Association“, hob im Gegensatz dazu die Bedeutung des Versuchs für die Biotechnologie–Industrie hervor: „Wir haben nun den Pfad durch den Irrgarten gefunden, und die Nachkommenden werden es leichter haben.“ Bis zuletzt versuchten Gegner des Versuchs sich durchzusetzen: In der Nacht zum Freitag wurden 2.200 der 2.400 Versuchs–Erdbeerpflanzen aus dem Boden gerissen, doch gelang es „AGS“– Angestellten, sie wieder einzupflanzen. Der bei „AGS“ für Produktentwicklung verantwortliche Angestellte suchte die Harmlosigkeit des Versuchs ostentativ hervorzuheben, indem er seine zwei Kleinkinder während des Experiments im Versuchsfeld spielen ließ und selbst eine der besprühten Erdbeeren aß.