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Polizei sammelt weiter Vobo–Blätter

■ Durchsuchungen der Grünen in Bayern und Rheinland–Pfalz / Nacht– und Nebelaktion in Berlin „Gemeinschädigende Sachbeschädigung“ als neuer Straftatbestand für Fragebogenvernichtung

Berlin (taz/dpa) - Auf der Jagd nach Volkszählungsboykottaufrufen hat die Polizei am Donnerstag die Geschäftsstellen der Grünen in München, Trier, Nürnberg und Fürth durchsucht. In Berlin fiel der Staatsanwaltschaft ausgerechnet um fünf Uhr früh am ersten Mai ein, daß das zentrale Volkszählungsboykottinformationsbüro im Mehringhof mit seinen Flugblättern zur Sachbeschädigung aufgefordert haben könnte. Im Morgengrauen brach ein Polizeiaufgebot die Räume des Büros auf und verließ es mit einem Stapel von Broschüren und 1.600 Exemplaren einer Vobo–Zeitung, die tags zuvor gerade aus der Druckerei gekommen war. In München forderten die Grünen am Donnerstag anläßlich der Durchsuchung ihrer Räume nach Volkszählungsflugblättern eine Unterbrechung der Landtagssit zung. „Es ist für uns unzumutbar, angesichts dieses Affrons weiter im Landtagsplenum zu verhandeln“, begründete der Grüne Abgeordnete Bäumer die Unterbrechung. Bei der Durchsuchung der Trierer Geschäftsstelle der Grünen beschlagnahmte die Polizei zahlreiche Flugblätter und ein Foto von einer Mutlangenblockade. Dabei wurde jeder Winkel des Parteibüros von der Polizei mit Video abgefilmt. Der richterliche Beschluß für die Trierer Durchsuchung weist nach Angaben des Justitiars der Grünen, Uwe Günther, eine neue Qualität auf. In ihm ist nicht, wie bei den bisherigen Duchsuchung, von „Aufforderung zu Sachbeschädigung“ wegen des Tips zum Heraustrennen der Bogennummer die Rede, sondern von Aufforderung zu „gemeinschädlicher Sachbeschädi gung“(§ 304 StGB). Während im ersten Fall das Gesetz mit bis zu 2 Jahren Freiheitsentzug droht, kann die Beschädigung von „Gegenständen, die zum öffentlichen Nutzen dienen“ nach § 304 mit dreijähriger Freiheitsstrafe sanktioniert werden. Dieser Paragraph, so Günther zur taz, diene nach dem juristischen Kommentar dazu, Sachen, die dem Publikum „unmittelbaren Nutzen bringen“, zu schützen. Daß aber das Ausfüllen eines Fragebogens unmittelbaren Nutzen bringe, sei bisher noch nicht einmal von den Betreibern der Zählung behauptet worden. Strafverteidiger gegen Volkszählung Hannover (taz) - Die „Vereinigung Niedersächsischer Strafverteidiger“ (VNS) hat in Hannover eine Erklärung gegen die Volkszählung 1987 veröffentlicht Darin versichern alle sechs Vorstandsmitglieder der VNS, daß „sie ihre konkrete Zählung boykottieren werden“. Die sechs Rechtsanwältte aus Hannover Braunschweig und Osnabrück wollen „ihre Fragebögen gemäß den Aufforderungen der Boykott– Initiativen an den Sammelstellen abgeben“. Von staatlicher Seite, so heißt es in der Erklärung weiter, sei eine ungeheure Propagandawelle zur Duchsetzung der Zählung eingeleitet worden. Je weniger diese Proganda jetzt greife, desto mehr werde auf Unterdrückung der Kritik gesetzt. Die Strafverteidigervereinigung kritisiert deswegen insbesondere, „daß das Strafrecht bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht als Mittel der Unterdrückung in dieser Auseinandersetzung eingesetzt wird“. ü.o

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