Supershow des Marathonpapstes

■ Unser Berichterstatter, der den Papst auf seiner Reise verfolgte, hatte manchmal das Gefühl, einziger Papstbeobachter zu sein / Im Fernsehen kam die Show sicher besser - Massen füllten nur den Bildschirm

Aus Papstnähe B.Müllender

Schrapp - schrapp - schrapp. Wusch. Mit einem einzigen kräftigen Rotorenschlag blies die päpstliche Helikopterflotte am Freitag abend in Münster die 130 Altarkerzen aus. Eine kleine Organisationspanne, aber es blieb die einzige, auch auf dem unheilschwangeren Hindenburgplatz, genau 50 Jahre nach der Explosion des gleichnamigen Zeppelins. Auch die vereinzelten Donnerschläge und Blitze waren zu weit entfernt, als daß J. P. II durch einen himmlischen Anschlag quasi aus den eigenen Reihen hätte gefährdet werden können. „Jetzt, jetzt kommt er“, die Lautsprecherstimme überschlug sich, „jetzt betritt er zum ersten Mal Münsteraner Boden!“ Zweihunderttausend sollten die Niederkunft bejubeln. Doch selbst nach offiziellen Übertreibungen waren es nur 60.000. Das war die unvorhergesehene Totalpanne für den Globetrotter aus Rom: Überall am NRW–Wochenende fand er mehr Leere als Ehre. Der sowieso eilige Vater wurde bei fünf Städten in 24 Stunden zum Marathon–Mann. Minutiös organisiert trugen ihn die Grenzschutzhubschrauber von Predigt, zu Grußwort, zu Ansprache: Papakalypse Now im Stundentakt. Samstag morgen ging es von Maria in Kevelaer zu den Malochern nach Bottrop, vor die Zeche Prosper–Haniel hieß der Auftrag „Begegnung mit der arbeitenden Bevölkerung“. Händels Halleluja–Chöre (statt Wagner) begrüßten die sechs Himmelsflieger, die Förderturbinen trieben Schwaden als weltlichen Weihrauch vor den Altar, und Lehrlinge hatten dem Besucher für die hundert Meter lange Fahrtstrecke extra ein gläsernes Zechomobil gebastelt. Alles war herausgeputzt, aber auch unter den Schlackehalden waren nur einige Tausend Schaulustige. Der Bergmann Walter Wittling durfte ran, dem Papst die Arbeitslosigkeit im Ruhrpott zu beklagen. Wojtilas Antwort: „Die Welt der Arbeit ist mir aus jungen Jahren auch bekannt.“ Und: „Unverschuldete Arbeitslosigkeit ist ein gesellschaftlicher Skandal“, verstieg er sich gar in marxistische Begriffe und appellierte an „Besitzer von Produktionsmitteln“, das „Prinzip des Vorrangs der Arbeit vor dem Kapital“ anzunehmen. Und: „Auch Jesus berief Arbeiter zu seinen Jüngern.“ Es waren Schönwetterworte bei strömendem Regen, immer wieder vom „Geist der Solidarität“, vom Menschen, der im Mittelpunkt stehen müsse. Nichts konkretes. Präzise war der Papst in Münster aus anderem Grund geworden: „Keine Friedensbewegung, keine ökologische Bewegung, keine emanzipierte Frau“ könne er ernst nehmen, wenn sie nicht aktiv gegen die sündige Abtreibung kämpfte. Da freuten sich die Glaubenswestfalen heftig. Manchmal konnte einem der alternde Vater zeitweise geneigt und mit müdem Blick und Bewegungen fast leid tun. Da wird er herumgereicht, kriegt in jeder Stadt einen anderen Stapel Papier in die Hand und muß sich Silbe für Silbe durch die schwere deutsche Sprache fühlen. Wenn er zwischendurch die Lottozahlen vorgelesen hätte, Gläubigen aus der Tränendrüsenreligion hätten auch dies beklatscht. Und sonst: Winken eben und Wirken. Das Wirken klappte bei einem Bottroper Bergmann so: Er hatte beim Händeschütteln „etwas merkwürdiges Bewegendes“ empfunden. Im Publikum war man mehr zum typisch derben Ruhrpotthumor aufgelegt: „Geh nich so nah ran, an den inne Glaskutsche, sonst krisse nen Heiligenschein ab.“ Für die perfekt manipulierte Medienshow taugte die Tournee trotz ausbleibender Papamanie allemal. Wer gerade noch leibhaftig dabei war und dann den Fernseher einschaltete, glaubte eine andere Veranstaltung zu sehen. Nur Jubelnde waren eingeblendet, Phantasiezahlen wurden genannt, oder Papstgehilfe Petrus beschuldigt. Es war genau umgekehrt wie bei einem Konzert oder beim Fußball - die Glotze servierte mehr als es in Wirklichkeit gab. Auch das Gelsenkirchener Parkstadion war am sonnigen Samstag abend längst nicht voll. Hier zelebrierte der Papst eine Messe und holte sich die Ehrenmitgliedschaft von Schalke 04. Den Feierabend vor Augen wirkte er weniger müde als zuvor, und das „Amen“ nach der Predigt kam entschlossener als das „Halleluja– Sagen“ des Aloisius. „So scheen gebetet“, lobte er das Publikum. Seine polnischen Schlußworte sollen improvisiert gewesen sein. Eine Glaubensfrage. Der interne Ablaufplan im Münsteraner Dom tags zuvor zeigte dagegen, wie perfekt jede Bewegung aller vorhergeplant war: „SE gibt Si. dem PZ, währenddessen schicken MU und KL die PU auf ihre Plätze, SE sorgt für Mikro für den Papst und für BE, RO kommt von seinem Platz fünf und macht Verneigungen zu dem Papst hin und geht zum Anbau.“ Amen. „In München kann man heilig werden“ Berlin (dpa/taz) - Letzte Station der Papstreise war München: Messe und Seligsprechung des Jesuitenpaters Rupert Mayer vor 82. 000 Gläubigen im Olympiastadion. Rupert Mayer, als erbitterter Gegner des Nationalsozialismus war von 1939 bis 1945 gefangengehalten gewesen, erst im KZ Oranienburg, dann im Kloster Ettal. „Sie sehen, Heiliger Vater, in München kann man heilig werden“ - mit diesen Worten begrüßte Münchens Erzbischof, Kardinal Wetter den Papst. Mit diesen Worten machte er Lobby für das nächste Seligsprechungsverfahren des Diozösan Kaspar Stanggasinger. Die Massen haben das Oberhaupt der Katholischen Kirche winkend verabschiedet, als er das Stadion durch das Marathontor verließ. Protest gab es dennoch in München: Im Stadion wurde ein Mahkreuz der Tierschützer beschlagnahmt. Die Feministin Hannelore Mabry wurde festgenommen, wegen Verdacht einer Nötigungsabsicht gegen den Papst.