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Prozeß gegen Tierschützer eröffnet

■ Anklage gegen Tierschützer wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung / Gericht von Schilderungen aus der Praxis in bundesdeutschen Tierlaboratorien beeindruckt / BKA observierte die Tierschützer

Flensburg (taz) - Gestern wurde vor dem Landgericht Flensburg der Prozeß gegen zehn Tierschützer wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung eröffnet. Unter dem Vorwurf der versuchten Brandstiftung waren die Tierschützer in Borstel, Kreis Segeberg, festgenommen worden, als sie dort ein Tierversuchslabor mit 80 Liter Benzin in Brand stecken wollten. Die Generalbundesanwaltschaft erhob daraufhin Anklage wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129a. Im Zuge der Ermittlungen mußte dieser Anklagepunkt jedoch fallengelassen werden, nun lautet die Anklage auf Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129. In ruhiger Atmosphäre verlief gestern dann vor etwa 70 Zuschauern im Schwurgerichtssaal im Landgericht Flensburg der erste von insgesamt sieben geplanten Verhandlungstagen. In seiner Anklageschrift warf der Staatsanwalt den Tierschützern Brandanschläge, einen versuchten Sprengstoffanschlag, Diebstahl und Sachbeschädigung in Tierversuchslabors in verschiedenen bundesdeutschen Städten vor. Dabei hätten sie Schäden in Höhe von rund einer Million DM verursacht. Außerdem hätten sie mehrfach wichtige Forschungsunterlagen entwendet. Interessant waren in diesem Zusammenhang die sehr detaillierten Kenntnisse des Staatsanwalts über Personen und Arbeitsweise der Tierschützergruppe. Anscheinend hat das BKA mit entsprechenden Informationen Amtshilfe geleistet. So wurden im Zuge der Ermittlungen die Angeklagten vom BKA observiert und ihre Telefone abgehört. Nach der Verlesung der Anklageschrift nahmen die von elf Verteidigern vertretenen Angeklagten in zwei Erklärungen zu den Vorwürfen des Staatsanwalts Stellung. Mit bewegten Worten und Photos des Grauens schilderten die Angeklagten die tägliche Praxis in den Tierversuchslaboratorien der BRD. Die Tierschützer distanzierten sich nicht von den Anschlägen und rechtfertigten sie mit ihren moralischen und ethischen Vorstellungen und der Ehrfurcht vor dem Leben, obwohl sie mit langen Freiheitsstrafen rechnen müssen. Das couragierte Auftreten der Tierschützer beeindruckte auch den Vorsitzenden Richter. Er ließ nach dem Verlesen der beiden Erklärungen und den Tatbekenntnissen erstmal eine Verhandlungspause einlegen. Am Nachmittag wurden dann die Angeklagten zu weiteren Tatvorwürfen gehört. Anschließend vertagte sich das Gericht auf morgen, zehn Uhr, im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Flensburg. J.K.–Pepmeyer

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