Jugendzentrum illegal abgerissen

■ Entgegen einer gerichtlichen Anordnung ließ der Bürgermeister von Neckargemünd ein selbstverwaltetes Jugendzentrum abreißen / Angeblich kannte er den Wortlaut des Gerichtsbeschlusses nicht

Aus Neckargemünd Rolf Gramm

Das selbstverwaltete Jugendzentrum in Neckargemünd, das sich selbst als das älteste in Baden– Württemberg bezeichnet, steht nicht mehr. Trotz eines entgegenstehenden Beschlusses des Karlsruher Verwaltungsgerichts (VG) vom Donnerstag ließ der Bürgermeister der 15.000–Einwohnergemeinde bei Heidelberg gestern früh gegen 7.30 Uhr ein Bauunternehmen mit Baggern und Planierraupen gegen die Holzbaracke, in der das JZ untergebraht war, vorrücken und abreißen. Wertsachen und Akten wurden unter den Trümmern begraben. Eine Anordnung des Gerichts, die dem JZ die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die bürgermeisterliche Räumungsverfügung bestätigte, konnte gegen 10 Uhr nur noch vor einem Schutthaufen verkündet werden und die Räumarbeiten nur kurzfristig unterbrechen. Anfang April hatte die Neckargemünder Stadtratsmehrheit mit den Stimmen von CDU und Freien Wählern beschlossen, das JZ zu schließen und die „Holzbaracke“ abzureißen. Zum Anlaß wurde eine Statutenänderung genommen, mit der sich das JZ auch für Nicht–Jugendliche öffnen wollte und sich in „alternatives Kultur– und Kommunikationszentrum“ umbenannte. Die rechten Stadträte interpretierten das als neue Organisation und fühlten sich nicht mehr an den mit den Jugendlichen geschlossenen Nutzungsvertrag gebunden. Das JZ wurde für Ende April gekündigt. Seit Anfang Mai hatten die Jugendlichen ständige Präsenz in der „Holzbaracke“ organisiert, um zu verhindern, daß der Bürgermeister vollendete Tatsachen schafft, ohne die Ergebnisse des angestrengten Rechtsstreits abzuwarten. Am Donnerstag schließlich schien sich die Situation zu entspannen. Das Karlsruher Verwaltungsgericht (VG) hatte einen Antrag der Jugendlichen abgelehnt, die eine einstweilige Anordnung gegen Abriß– oder Räumungsmaßnahmen verlangt hatten. Eine solche Anordnung, so die Richter, sei nicht notwendig, da nicht zu erwarten sei, daß „der Bürgermeister beabsichtigt, eine gesetzwidrig kurzfristige Räumung oder eine Räumung auf gesetzwidrigem Wege „anzustreben. Die Karlsruher Richter betonten, daß die Gemeinde „grundsätzlich nicht die Räumung durch Verwaltungsakt anordnen“ darf, „sondern sie muß sich einen Vollstreckungstitel verschaffen, indem sie auf Räumung klagt“. Bürgermeister Schuster rechtfertigte seine Abrißverfügung damit, daß er am Freitag morgen den Wortlaut des Gerichtsbeschlusses vom Vortag angeblich noch nicht gekannt habe.