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P O R T R A I T Niggemeiers Abstieg

■ Nach 18 Jahren verliert der SPD–Rechte und Gewerkschafter Horst Niggemeier den Vorsitz des zweitgrößten Partei–Unterbezirks in Recklinghausen

Von Jakob Sonnenschein

Recklinghausen (taz) - „Ich verstehe das nicht“, kommentierte der Verlierer Horst Niggemeier seine Niederlage am Wochenende ungläubig. „Nach meinem Ergebnis bei der Bundestagswahl...“ 18 Jahre stand Niggemeier in Recklinghausen dem zweitgrößten SPD–Unterbezirk (UB) der Republik vor - und nun der Sturz. Abgewählt! Und das, nachdem die von ihm leidenschaftlich bekämpfte rot–grüne Zusammenarbeit vom Wahlvolk - ganz in seinem Sinne - gerade in Hessen den Knock–out verpaßt bekommen hat. Horst Niggemeier wußte es immer: Rot und Grün geht nicht zusammen, dann schon lieber die große Koalition. Für den glühenden Antikommunisten, der als Pressesprecher der Gewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) in der Gewerkschaftszeitung Einheit auf die Grünen immer nur dreinschlug - oft derart maßlos und diffamierend, daß selbst in der sonst so geschlossen wirkenden IGBE Stimmen laut wurden, die zur Toleranz mahnten -, ist der „Sturz“ vom Wochenende mindestens der zweite Schritt ins parteiinterne Abseits. Schon vor zwei Jahren mußte er seinen Platz im Landesvorstand räumen, schaffte dann allerdings mit knapper Mehrheit die Kür zum Direktkandidaten in Recklinghausen, die ihn in dieser Legislaturperiode erstmals in den Deutschen Bundestag trug. In seiner Heimatstadt ist der Hauptmann der Reserve, der als Bürgermeister von Datteln schon mal eine Ratssitzung in die nahegelegene Kaserne verlegt, der ungekrönte König. Populär bei der großen Mehrheit, verbittert bekämpft von der politisch aufmüpfigen Szene der Kleinstadt. Geht es gegen die DKP, nimmt Niggemeiers politischer Kampf Züge eines „Vernichtungsfeldzuges“ an. Jüngstes „Opfer“ ist die Erzieherin Martina Beckmann, der von der Geschäftsführung des Recklinghausener Caritasverbandes gekündigt wurde, nachdem Horst Niggemeier in einem SPD– Rundbrief - Überschrift: „Grün–kommunistischer Filz in Datteln“ - die DKP–Mitgliedschaft von Frau Beckmann publik gemacht hatte. Da half es auch wenig, daß die von der Kündigung betroffenen Eltern Frau Beckmann bescheinigten, „unser in sie gesetztes Vertrauen nicht verletzt“ zu haben, und die Rücknahme der Kündigung forderten. Es geschah nicht, so daß nun das Arbeitsgericht entscheiden muß. Ohne den „Fall Beckmann“, der zu empörten Reaktionen bei Sozialdemokraten und Gewerkschaftern geführt hat, wäre Horst Niggemeier wohl heute noch UB–Vorsitzender. Zwar wuchs die Zahl seiner Kritiker in den letzten Jahren stetig an, dennoch hielten viele Genossen zu ihm, auch wenn sie mit seinen Methoden oft nicht einverstanden waren: Weil er seinen politischen Grundsätzen nie untreu wurde, auch wenn der Wind ihm ins Gesicht blies. Opportunismus kann man Horst Niggemeier nicht vorwerfen. Ob in der Nachrüstungsfrage oder der Atompolitik. Er wechselte nie über Nacht die Fronten. Eine der zwei Gegenstimmen zum Atomausstiegsbeschluß auf dem Nürnberger Parteitag stammt von dem Dattelner Bürgermeister. Während seine Gesinnungsfreunde ihn beknieten - „Horst, stimm zu, das wird doch sowieso nicht verwirklicht“ - zeigte Niggemeier Flagge, auch in aussichtsloser Position. Privat, wenn die Politik ruht, gilt der überzeugte SPD–Rechte als sehr umgänglicher Mensch, mit dem man „gut ein Bier trinken kann“, wie selbst Linke unumwunden eingestehen.

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