: Freie Wähler: Bedrohung für die CDU
■ Vor den Landtagswahlen in Rheinland–Pfalz bangt die CDU um ihre absolute Mehrheit / Die Freien Wählergemeinschaften liegen gut im Rennen / FDP biedert sich an / Noch Hoffnung bei SPD und Grünen
Aus Mainz Felix Kurz
„Auch Ansätze der Grünen sind diskutierbar“ sagt Otfried Eckhart aus Schwabenheim. Er ist Spitzenkandidat der Freien Wählergemeinschaft im Wahlkreis III bei der rheinland–pfälzischen Landtagswahl am kommenden Sonntag. „Aber mit den Grünen in eine Regierung werden wir nicht gehen, das wollen unsere Wähler nicht“. Seit einem halben Jahr ist der 32jährige Landwirt und Winzer im Wahlkampfeinsatz. Sein Wahlverein, die Freie Wählergemeinschaft Rheinland–Pfalz (FWG), tritt zum ersten Mal bei einer Landtagswahl an. Seitdem die Kandidatur beschlossene Sache ist, schläft der rheinland–pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel(CDU) so schlecht wie schon lange nicht mehr. Die FWG könnte seine Partei nämlich nicht nur die absolute Mehrheit im Lande kosten - obendrein könnte sie auch noch SPD und Grüne derart begünstigen, daß am Ende die CDU ganz aus der Regierung fliegt.Basis in den Kommunalen Parlamenten. Sie stellen hier und dort mal einen Verbandsbürgermeister oder Bürgermeister und selten findet sich eine Freie Wählerliste, die mit weniger als 15 Prozent in den Kommnunen vertreten ist. Teilweise erzielten die Gruppen 30, manchmal 40 Prozent der Stimmen. Nicht etwa die SPD, sondern die Freien Wähler sind in Rheinland–Pfalz auf kommunaler Ebene die zweitstärkste Kraft mit knapp 5500 Mandaten. Bei der letzten Kommunalwahl sammelten sie über 550.000 Wählerstimmen. Selbst wenn sie 75 Prozent davon einbüßen würden, reicht es für denLandtag. Und davon geht man bei den Freien Wählern aus. Daß sie jetzt zum ersten mal für den Landtag kandidieren, hat vor allem in der großen Unzufriedenheit über die CDU ihren Grund. Zahlreiche FWGler trugen lange Zeit das Parteibuch der Christdemokraten. Gerhard Götten beispielsweise wirkte sogar in der Wahlkampfmannschaft von Rainer Barzel 1972 mit. Viele Ge meinden seien ja mit einer Zweidrittel–Mehrheit der CDU „verpestet“ gewesen. Es war weniger das Programm, wie Gerhard Götten sagt, was ihn zu diesem Schritt veranlaßt hat, sondern die „seit 40 Jahren gewachsenen Strukturen der trägen und verfilzten Säcke“. Vor allem wie die CDU Winzer, Bauern und Mittelständler behandelte, sorgte dafür, daß manch christdemokratisches Parteimitglied heute in der FWG gegen „Vogel und Co.“ wettert. Eckharts Gruppierung tritt gar für den Ausstieg aus der Atomenergie ein. Ein Erziehungsgehalt für alle für 7 bis 10 Jahre, die Urwahl der Bürgermeister und Landräte, und vor allem „sachkundige Weinbau– und Landwirtschaftspolitik“ sind die wesentllichen Programmpunkte der Vogelschen Angstgegner. Eine Koalitionsaussage gibt es von der FWG nicht. Aber „wir werden mit beiden großen Parteien reden“, so Otfried Eckart zur taz. Die Kandidatur der FWG treibt aber auch die in Rheinland–Pfalz ein Schattendasein führende FDP um. Vor allem ihr Vorsitzender Rainer Brüderle, Wirtschaftsdezernent bei der Stadt Mainz, dessen Wunsch der Sessel eines Wirtschaftsministers ist, könnte durch die FWG erneut am Einzug in den Landtag gehindert werden. Die „Zwei–Mann–Partei“, Parteichef Brüderle und sein Fahrer und Presserefent Lembach, hat bei der letzten Landeswahl schlappe 3,5 Prozent erreicht. Prominentestes FDP–Mitglied ist im diesem Landesverband immer noch Hans– Otto Scholl. Doch der ist seit einiger Zeit außerhalb fest engagiert: Das Landgericht Baden–Baden hatte ihn wegen eines Raubüberfalls auf ein Juweliergeschäft zu sieben Jahren Haft verurteilt. Schafft die liberale Partei den Einzug in das Parlament nicht, droht möglicherweise doch ein Machtwechsel. SPD–Oppositionsführer Rudolf Scharping macht derzeit folgende Rechnung auf: FWG und FDP scheitern an der Fünf–Prozent–Hürde und Vogel sackt unter 47 ab, dann würde es nach 41 Jahren für SPD und Grüne reichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen