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Das stinkende Restrisiko

Raucher/innen haben eines gemeinsam: Sie wollen ständig aufhören. Sie entwickeln raffinierte Strategien zur Nullösung, zählen verzweifelt ihre Stummel und freuen sich wie kleine Kinder über glückliche Tage reduzierten Konsums. Die Verdrängung des Raucherrisikos klappt nicht, denn die direkten gesundheitlichen Auswirkungen sind zu massiv, zu offenkundig und täglich spürbar. Die medizinische Kritik hat Spuren hinterlassen: Die Einstellung zum Rauchen hat sich verändert, aber auch die Industrie hat auf die Kritik reagiert und mit Leichtzigaretten „gesunde“ Ware angeboten. Daß die „Leichten“ blödsinnig sind, daß die Nikotin–, Teer– und Giftaufnahme vor allem mit der Inhalationstiefe und mit der Frequenz und Zahl der Züge am Glimmstengel zusammenhängt, daß Leichtzigaretten häufig einen höheren Anteil des gefährlichsten Stoffs am Rauchgeschehen (Koh lenmonoxid) haben, ignoriert der Leichtraucher. Kaum eine andere Gesundheitsgefahr ist so gründlich erforscht wie die Zigarette. Die Epidemiologie wütet seit Jahrzehnten und hat die hübschesten Korrelationen zwischen Krankheit, Tod und Sucht zusammengestellt. Zugleich wurde der blaue Dunst bis in die molekularen Einzelteile zerlegt und analysiert. Die brennende Zigarette ist ein kleines Laboratorium mit 2.000 wirksamen Substanzen und einem bunten Coktail an krebserregenden, giftigen und hochgiftigen Stoffen. Blausäure, Formaldehyd, Arsen, Cadmium, DDT, Nitrosamine, Benzypren, Kohlenmonoxid, Phenole usw.; die Liste der Gefahrstoffe ist endlos. Das Anlegen einer Atemschutzmaske wäre bei einer ähnlich konzentrierten Aufnahme vieler dieser Stoffe am Arbeitsplatz zwingend vorgeschrieben. Die Blausäure reizt den Kehlkopf, die Aldehyde zerstören die Flimmerhärchen, das Kohlenmonoxid bremst den Sauerstoff– Transport im Blut. Gehirnstoffwechsel, Herz, Kreislauf, Niere, Magen, Lunge, Darm, Harnblase, Gefäße, Bauchspeicheldrüse, Mundhöhle - nichts, was durch das Rauchen nicht geschädigt wird. Drei Zigaretten, von einem Kleinkind gegessen, würden es töten, ein ganzes Päckchen unter den Hafer gemischt, würde selbst einem Gaul das Licht ausblasen, wenn er das Mahl je runterbekäme. Zum Schluß noch ein lausiger Blick in die Mortalitätsstatistik: Wer täglich 20 Zigaretten raucht, lebt fünf Jahre weniger, bei frühem Einstieg bis zu zehn Jahre. 90 Prozent aller Lungenkrebs–Toten sind Raucher. Sie sterben 15mal häufiger an Herzinfarkt als Nichtraucher, etwa zehnmal häufiger an Kehlkopfkrebs, kriegen doppelt so häufig Magengeschwüre, und sie haben in den USA im Jahr 1981 exakt 146 Millionen Tage zusätzlicher Bettlägrigkeit zu verantworten. Manfredo

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