: I N T E R V I E W Wie verschwinden die weißen Abgeordneten?
■ Dr. Goswin Baumhögger vom Afrika–Institut in Hamburg über das zukünftige politische Modell Zimbabwes
taz: Als letztes afrikanisches Land wurde imbabwe im April 1980 nach einem langen und blutigen Bürgerkrieg von Großbritannien unabhängig. Allerdings räumte das sogenannte Lancaster–House–Abkommen (benannt nach dem Londoner Haus, in dem die Verhandlungen geführt wurden) den verbliebenen Weißen vorerst eine erhebliche Mitsprache in den Belangen des Landes ein. Diese Regelung ist im April nach siebenjähriger Dauer zum Teil ausgelaufen. Was bedeutet das für die politische Zukunft Zimbabwes? Baumhögger: Als das Lancaster–Abkommen geschlossen wurde, standen ein sofortiger Waffenstillstand, freie allgemeine Wahlen und eine Verfassung nach englischem Muster im Vordergrund. Hinzu kam ein Minderheitenschutz für weiße Parlamentarier sowie Menschenrechts– und Eigentumsfragen, zum Beispiel der Grundsatz: keine Enteignung ohne Entschädigung. Drei Verhandlungspartner standen sich gegenüber: Großbritannien, die Marionettenregierung mit Bischof Muzorewa/Ian Smith und als dritter die Vertreter der Guerillabewegungen der Patriotischen Front, Robert Mugabe und Joshua Nkomo. Allerdings wurde das Abkommen von den drei Gruppen nie in gleicher Weise akzeptiert. Für die Guerilla war der Minderheitenschutz für weiße Parlamentarier eine Pro vokation: Es wurde festgelegt, daß die damals verbliebenen rund 280.000 Weißen (etwa 3 Wahlliste über 20 der insgesamt 100 Parlamentssitze bestimmen konnten. Erst nach sieben Jahren, also zum jetzigen Zeitpunkt, kann diese Repräsentanz mit parlamentarischen Mitteln verändert werden: dazu müssen nicht wie bisher alle hundert, sondern nur noch 70 Parlamentarier einer Verfassungsänderung zustimmen. Es gilt als sicher, daß die Regierung Mugabe, die über 66 Mandate verfügt, zusammen mit einigen Parlamentariern der Opposition dieses Relikt kolonialer Macht abschaffen wird. Warum haben die Befreiungsbewegungen damals diese Bedingungen eigentlich unterzeichnet? Den Zimbabwern, die ja für eine Landreform und freie Wahlen nach dem Prinzip „one man - one vote“ gekämpft haben, ist das bisher existierende politische System mit Ober– und Unterhaus quasi aufgezwungen worden. In den Lancaster–House–Verhandlungen wurde ein Paket von den Briten geschnürt. Dies konnten die Zimbabwer entweder ablehnen oder ihm insgesamt zustimmen. Als Alternative blieb nur, den Guerillakrieg, der schon 30.000 Tote und über 100.000 Verletzte gefordert hatte, weiterzuführen. Daran war den Zimbabwern nicht gelegen. Wie sehen die voraussichtlichen Verfassungsänderungen aus? Sicher wird die separate weiße Wahlliste abgeschafft. Das heißt aber noch nicht, daß damit sofort die 20 weißen Parlamentarier verschwinden werden. Normalerweise läuft deren Amtszeit ja am Ende einer Legislaturperiode oder bei Auflösung des Parlaments ab. Da die Parlamentarier erst vor zwei Jahren für eine fünfjährige Amtszeit gewählt wurden, scheiden Neuwahlen aus. Dem steht auch ein erheblicher Kostenaufwand entgegen, denn das gesamte Land müßte in neue Wahlkreise eingeteilt werden. Dies wiederum würde auch bedeuten, daß die derzeit bestehende regionale Beteiligung an der Macht durcheinander gebracht würde. Größere Chancen räume ich deshalb einem Vorschlag des Justizministers Zvobgo ein, alle Parlamentarier sollten als eine Art Wahlmänner–Gremium für die 20 Plätze fungieren. Für eine dreijährige Übergangszeit bis zu den nächsten Wahlen könnten somit 20 berufene neue Parlamentarier die Weißen ersetzen. Auch wird sich nach meiner Einschätzung das Westminster–Modell mit Ober– und Unterhaus nicht halten, sondern durch ein Ein– Kammern–System mit einem Präsidenten an der Spitze ersetzt werden. Als Kandidat käme nur Robert Mugabe in Frage. Mich wundert allerdings, daß die zimbabwische Regierung auf diese Situation, die ihnen ja seit sieben Jahren bekannt ist, nicht genügend vorbereitet scheint. Niemand im Land kann bisher genau sagen, welche Verfassungsänderungen durchgeführt werden und auf welche Weise die 20 weißen Sitze am elegantesten verschwinden können. Das Interview führte Christoph Fleischer
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