: Machtdemonstration der USA am Golf
■ Rivalität der Supermächte / Golfstaaten sollen unter Druck gesetzt werden
Die Reagan–Administration wußte die Gunst der Stunde zu nutzen: Nach dem irakischen Angriff auf die „Stark“ haben die USA mit der Verstärkung ihrer Militärpräsenz im Golf der Sowjetunion und den Anrainerstaaten demonstriert, daß der Golf als „amerikanisches Gewässer“ gilt. Die Absicht Kuwaits, mit dem Schutz der Schiffahrt durch die Supermächte deren Bemühungen um ein Ende des iranisch–irakischen Krieges anzukurbeln, wurde in ihr Gegenteil verkehrt.
Wie schaffen wir es, die Sowjetunion auszuschließen, wenn die freie Schiffahrt im Golf international militärisch abgesichert werden soll? Auf diese Kurzformel läßt sich das Anliegen von US– Senator James Sasser bringen. Der Mann aus Tennessee, der gerade das vor der Küste in Schräglage dümpelnden Halbwrack der „Stark“ besichtigt hatte, erzeugt nachdenkliche Gesichter unter seinen Zuhörern. Der forsche Senator, der den irakischen Angriff im Auftrage eines Senats–Komitees untersuchen soll, nutzt seinen Presseauftritt um Propaganda für eine „See–Aktions–Streitmacht“ zu machen, die exklusiv von Amerikanern, Briten und Franzosen zu bilden sei. Natürlich könnten auch Kontingente von „den Nationen, die ein traditionelles Interesse in den Golf–Staaten gehabt haben und mit denen die Golf–Staaten traditionell gut auskommen und traditionell offene und freundschaftliche Beziehungen gepflegt haben“, beteiligt sein. „Die Sowjetunion ist kein traditioneller Abnehmer des Öls vom Golf“, fügt Sasser zur Begründung des Ausschlusses der anderen Supermacht hinzu. USA fordern Landrechte Daß es selbst vielen Politikern der Golf–Staaten bei solchen Auftritten von Mitgliedern der US– Delegationen, die sich in diesen Tagen in der Region tummeln, oder bei den Sprüchen, die aus den USA gemeldet werden, die Spucke wegbleibt, ist kein Wunder. Weinberger stellt fest, der Golf benötige mehr Streitkräfte. Sein Sprecher Robert Sims erklärt, daß Kuwaits Kooperation als Gegenleistung für den Schutz der Schiffe jetzt benötigt werde. Landerechte für die Airforce sollen her. Kuwait und auch andere Staaten der Region hatten den US–Streitkräften diese Sonderrechte immer verweigert. Noch im Mai 1984 war ein übereiltes Hilfsangebot von Ronald Reagan nach dem ersten Einschlag einer iranischen Rakete in den Bug eines kuwaitischen Tankers demonstrativ ignoriert worden. Auch vor dem Hintergrund der immer zahlreicher werdenden iranischen Aggressionen gegen ihre Tanker und der von Khomeinis Söldnern zur Explosion gebrachten Ölanlagen, hatte sich das kleine Scheichtum nicht an die Brust der USA geworfen, sondern ausgesprochen geschickt der Sowjetunion und den USA ein Abkommen über den Geleitschutz der eigenen Ölexporte ausgehandelt. Dieser Schritt signalisierte einen neuen Trend der im Golfrat zusammengeschlossenen Staaten Kuwait, Saudi–Arabien, Bahrain, Qatar, der Vereinigten Arabischen Emirate und Oman. Trotz einer gigantischen Hochrüstung hatten die Golfanrainerstaaten sich nicht dazu durchringen können, den militärischen Schutz der Handelsschiffe vor iranischen Angriffen selbst zu übernehmen. Dies ist nicht nur auf die fehlende Erfahrung und Ausbildung sowie die noch nicht weit genug entwickelte militärische Zusammenarbeit der Staaten des Rates zurückzuführen. Seit Ende des vergangenen Jahres war offizielle Politik, daß der Schutz der Schiffahrt in den Golfgewässern eine internationale Aufgabe sei. Es muß die Politiker der Golfstaaten schockiert haben, mit welcher Rigorosität ihre Vorstellungen in der vergangenen Woche beiseite gewischt wurden. Geradezu hilflos wirkte am Wochenende die Bekräftigung des Golf– Sekretärs für politische Angelegenheiten, Saif al Muskari, beide Supermächte seien für den Schutz mitverantwortlich: „Die Verantwortung für den Schutz der Schifffahrt in den internationalen Gewässern des Golfes fällt nicht nur den Ländern des Golfrates zu, sondern ist eine gemeinsame Aufgabe der Golfstaaten und der Staaten mit Interessen in der Region, insbesondere der Großmächte.“ Vorstellungen der Golfstaaten ignoriert Auch wenn von verschiedenen Zeitungen in den Golfstaaten die militärische Zurückhaltung der eigenen Regierungen kritisiert wird, so ist die Übertragung der Verantwortung für den Schutz der Schiffahrt doch auch ein Schachzug gewesen, die Supermächte für Anstrengungen gegen den Krieg zu mobilisieren. Bei diesen Überlegungen wurde jedoch der Machtanspruch der USA über die Region unterschätzt. Der von allen Seiten als Unfall erachtete irakische Raketenangriff auf den US–Zerstörer ist von den USA zu einer Machtdemonstration genutzt worden, um den zunehmenden Einfluß der Sowjetunion zurückzudrängen. Der Zeitpunkt des Raketenangriffs erwies sich unter diesem Gesichtspunkt geradezu als Glücksfall. Denn gerade hatte Richard Murphy seine Golftour beendet, auf der er nur mühselig das durch die US–Waffenlieferungen an Iran bei den arabischen Golfstaaten zerschlagene Porzellan wieder kitten konnte. Somit nicht zu früh, aber gerade noch früh genug, damit sich die kuwaitische Lösung, also die Beteiligung beider Supermächte an der Sicherung von Erdölexporten, gar nicht erst bewähren konnte. Denn wen hatte US–Präsident Ronald Reagan, der eine handsignierte Bibel durch seinen Sonderboten nach Teheran hatte bringen lassen, eigentlich mit dem Begriff „Feindesmacht“ gemeint, als er am vergangenen Wochenende davon sprach, daß die Freiheit in den Würgegriff genommen worden sei, wenn die Golfregion in die Hände eben einer solchen Macht falle. Immer mehr deutet darauf hin, daß seine Bemerkung Richtung Moskau zielt. Wenn der ehemalige Sicherheitsberater Jimmy Carters, Zbigniew Brzezinski, wild drauflos spekuliert und die Vermutung äußert, die Sowjetunion habe durch elektronische Manipulation den Angriff auf die „Stark“ verursacht, wird klar, wohin der Wind weht. Unmut in der Region Welchen Unmut es in den Golfanrainerstaaten über die Selbstverständlichkeit gibt, mit der die USA ihrer verstärkte Militärpräsenz beansprucht, wurde an Spekulationen der in den Emiraten erscheinenden Zeitung Al Khaleej deutlich, die Politik der USA in der Region diene dazu, einen neuen Weltkrieg anzuzetteln. Hinter vorgehaltener Hand ist auch offen zu hören, daß zunehmende Militärpräsenz im Golf zur Zunahme der Spannungen führe und dazu diene, die gesamte Region in eine Arena für Rivalitäten der Supermächte zu verwandeln. Der Showdown würde den USA zudem dazu dienen, den arabischen Ländern der krisengeschüttelten Region ihren Willen aufzuzwingen. Natürlich gibt es auch Politiker am Golf, die die amerikanische Machtdemonstration begrüßen, und sich davon eine Einschüchterung der Islamischen Republik Iran erhoffen. Nur müssen sie sich von Kabinettskollegen vorhalten lassen, was denn passieren würde, wenn Iran tatsächlich einmal die von US–Kriegsschiffen oder Flugzeugen begleiteten Tanker angreifen würde. Eskalation oder Prestigeverlust wäre die Folge, und beides liege nicht im Interesse der Region. An der Möglichkeit Irans, Frachter oder Tanker anzugreifen, wird sich in absehbarer Zeit wenig ändern. Denn es werden ja nur immer ein knappes Dutzend der jeweils etwa 200 im Golf fahrenden Handelsschiffe Geleitschutz erhalten. Und da das Pentagon bereits erklärt hat, man werde Iran wissen lassen, welche Schiffe jeweils militärisch gesichert werden sollen, hilft man Iran somit bei der Auswahl der Ziele. Statt Konfrontation zwischen Iran und den USA gäbe es somit auch die Möglichkeit der us–amerikanisch–iranischen Kooperation. Denn jeder Treffer auf ein ohne Geleitschutz fahrendes Schiff würde die Forderung nach weiterer Verstärkung der US–Militärpräsenz hervorrufen. Das Weltbild der islamischen Führung in Teheran wäre wieder in Ordnung, denn die Scheichtümer am Golf würden ja beweisen, daß sie Lakaien des großen Teufels sind. Und der Traum der USA vom Golf als amerikanischem Gewässer würde ebenfalls in Erfüllung gehen. William Hart, Bahrain
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen